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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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hindurch ihre Zehen, die sich unter seiner
    Zunge bewegen. Aus den Augenwinkeln erkennt er auf einem kleinen Tischchen die
    Spuren ihrer Abendmahlzeit, die sie frühzeitig eingenommen hat, den Rand eines
    Tellers, zwei Flaschenhälse, Mineralwasser und französischer Wein ...
    "Jetzt ist es Zeit für den Schmerz, Brigadier. Du wirst zwölf
    von den Besten kriegen, wenn mir dein heutiges Angebot gefällt."
    Das ist sein schlimmster Augenblick. Es ist schon vorgekommen, daß sie ihn
    abgewiesen hat. Seine Erinnerungen an Ypern interessieren sie nicht. Sie scheint
    sich weniger aus Massenabschlachtungen zu machen als aus Mythen und
    individuellem Terror ... aber bitte, bitte ... mach, daß sie akzeptiert...
    "In Badajoz", flüstert er demütig, "im Spanienkrieg ... eine Bandera aus Francos
    Legion marschierte auf die Stadt, sie sangen ihre Regimentshymne. Sie sangen von
    der Braut, die sie sich erwählt hatten. Sie sangen von dir, Herrin! Sie-sie erklärten
    dich zu ihrer Braut... "
    Sie schweigt einen Augenblick, läßt ihn warten. Endlich, Auge in Auge, beginnt sie zu lächeln. Um ihre Lippen spielt der böse Zug, von dem sie weiß, daß er ihn braucht, heute wie immer. "Ja ... Viele von ihnen kamen in mein Brautbett an jenem Tag", flüstert sie, den glänzenden Rohrstock biegend. Ein Winterwind scheint durch den Raum zu wehen. Ihr Bild droht in einzelne Schneeflocken zu zerstieben. Wie liebt er es, sie reden zu hören, diese Stimme, die ihn in den zerschlagenen Gehöften Flanderns fand, die er kennt, am Akzent wiedererkennt, von all den Mädchen, die in den Niederlanden alt geworden, deren Stimmen von Jugend zu Alter, von Lebenslust zu Gleichgültigkeit gebeugt worden waren, je länger sich der Krieg, von Jahreszeit zu immer bittererer Jahreszeit, dahingezogen hatte ... "Ich nahm ihre braunen spanischen Leiber zu mir. Sie waren von der Farbe des Staubes, des Zwielichts und des vollendet gerösteten Fleisches... die meisten von ihnen so jung. Es war ein Sommertag, ein Tag der Liebe, bittersüß wie selten einer. Ich danke dir. Du wirst deinen Schmerz empfangen."
    Wenigstens an diesem Teil ihrer Aufgabe kann sie ihre Freude haben. Obwohl sie niemals eine der klassischen englischen Pornographien gelesen hat, sind ihr die insularen Vorlieben vertraut wie dem Fisch das Wasser. Sechs auf die Arschbacken und noch einmal sechs auf die Brustwarzen. Zack! Wo ist sie jetzt, deine KürbisSurprise, na, wo? Sie genießt es, das frische Blut über die
    Striemen der vergangenen Nacht perlen zu sehen. Oft kann sie sich kaum beherrschen, im Rhythmus seines Stöhnens mitzukeuchen, zwei Stimmen in einer Dissonanz, die weniger zufällig wäre, als sie klänge ... in manchen Nächten hat sie ihn mit einer Galaschärpe geknebelt und mit einer goldbetreßen Fourragere oder seinem eigenen Sam Browne gefesselt. Heute nacht liegt er gekrümmt zu ihren Füßen, hebt seinen verwitterten Arsch ihrem Stock entgegen, ohne von etwas anderem gefesselt zu sein als seinem leidenschaftlichen Verlangen nach Schmerz, nach etwas Wirklichem, etwas Reinem. Sie haben ihn so weit von den einfachen Geboten seiner Nerven entfernt. Sie haben papierene Illusionen und soldatische Euphemismen zwischen ihn und seine Wahrheit gestopft, die seltene Schicklichkeit dieses Augenblicks zu ihren behutsamen Füßen ... nein, er empfindet weniger Schuld als Erstaunen - daß er so viele Jahre lang auf Minister, Wissenschaftler, Ärzte und ihre jeweiligen spezialisierten Lügen hören konnte, wenn sie doch während dieser ganzen Zeit vorhanden war, ohne je an ihrem Recht auf seinen versagenden Körper zu zweifeln, seinen wahren Körper: ohne die Maske der Uniform, ohne das Verwirrspiel der Drogen, die ihn unempfindlich gemacht hatten für ihre Botschaften aus Schwindel, Übelkeit und Schmerz ... Aus Schmerz vor allem. Der reinsten Poesie, der wahrhaftigsten aller Liebkosungen ...
    Mühsam erhebt er sich auf die Knie, um ihren Rohrstock zu küssen. Sie steht jetzt
    mit gespreizten Beinen über ihm, hält das Becken vorgeschoben, den Pelzumhang
    an die Hüften gerafft. Er wagt es, emporzustarren in ihre Fotze, den
    furchteinflößenden Mahlstrom. Ihr Schamhaar ist schwarz eingefärbt für die
    Gelegenheit. Er stöhnt und läßt einen unterdrückten, leisen Seufzer hören.
    "Ah ... ja, ich weiß. "Sie lacht. "Armer, sterblicher Brigadier, ich weiß. Es ist mein
    letztes Geheimnis." Sie streicht sich mit den Fingernägeln über die Schamlippen: "Du
    wirst doch nicht von einer Frau

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