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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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gern. Deinen Vorfahren. Den Drontenkiller."
    Aber das war's nicht ganz, was sie mit "ihren Toten" meinte: "Ich dachte mehr an diejenigen, die ihr Totsein mir persönlich zu verdanken haben. Und nebenbei: wenn Frans je hier hereinschneite, würdet ihr, ihr alle, nur um ihn herumstehen und dafür sorgen, daß er auch ganz genau begriffe, wie schuldig er war. Die Welt, in der der arme Kerl lebte, enthielt einen unerschöpflichen Vorrat von Dronten - weshalb ihn über Völkermord belehren?"
    "Aber du könntest ihm ein paar instruktive Beispiele dafür liefern, stimmt's oder hab
    ich recht, Schätzchen?" schnarrt Evans, der nuancentaube Waliser Lauscher.
    Pirat geht auf Evans los, die Unterarme aus der Hüfte gewinkelt im Saloonboxerstil,
    doch Sir Stephen interveniert: "Gerede von der Art wird's hier immer geben, Prentice.
    Wir sind ein einsatzgehärteter Haufen. Es hat keinen Sinn, sich dagegenzustel-len.
    Schließlich kann keiner sagen, wie lange wir es zusammen aushalten müssen, oder?
    Die junge Dame scheint mir über alles zu verfügen, was sie zu ihrem eigenen Schutz
    braucht. Sie will gar nicht, daß du für sie in die Bresche springst."
    Womit er recht hat. Katje legt ihre warme Hand auf Pirats Arm und schüttelt mit
    verlegenem, kleinem Lachen zweimal ihren Kopf: "Ich freue mich trotzdem, Sie zu
    sehen, Captain Prentice. "
    "Du bist die einzige. Denk drüber nach."
    Sie hebt nur ihre Augenbrauen. Scheiße, daß er das gesagt hat.
    Bedauern, oder eine verspätete Sehnsucht nach Reinheit schießt ihm ins Blut wie
    eine Droge.
    "Aber -" er staunt über dieses Gefühl, er beginnt zusammenzubrechen, wie eine Pyramide aus Gewehren, rund um ihre Füße, gefangen in ihrem Schwerefeld, Entfernungen sind aufgehoben, Wellenlängen nicht mehr meßbar, "Katje ... wenn ich dich niemals betrügen könnte -"
    Er ist gefallen: sie hat ihre Bedeckung eingebüßt. Sie starrt ihn an, erstaunt.
    "Selbst wenn der Preis darin bestünde ... andere zu verraten, zu verletzen ... oder zu
    töten - es wäre ganz egal, um wen oder um wie viele es sich handelte, ganz egal,
    wenn ich nur dein Beschützer sein könnte, Katje, dein vollkommener-"
    "Aber das, das sind Sünden, zu denen es vielleicht niemals kommen wird." Sie
    feilschen wie zwei Zuhälter. Ob sie eine Ahnung haben, wie sie sich anhören? "So
    ein Versprechen kann dir leichtfallen, es kostet dich keinen Pfennig."
    "Dann noch die Sünden eingeschlossen, die ich begangen habe", protestiert er, "ja
    ich begehe sie alle noch einmal -"
    "Aber auch das ist dir unmöglich - also kommst du genauso billig davon. Hm?" "Ich versteh mich darauf, Muster zu wiederholen." Er klingt grimmiger, als sie ihn gerne hätte.
    "Oh, dann denke ...", ihre Finger spielen leicht in seinem Haar, "denk an die Dinge, die du getan hast. Denk an all deine und an all die meinen -"
    "Aber das ist das einzige Medium, das wir jetzt haben", schreit er, "unsere Begabung für die Arglist. Daraus müssen wir alles aufbauen... wir müssen damit wuchern, so wie der Staatsanwalt mit deiner Freiheit wuchert." "Du Philosoph!" Jetzt lächelt sie. "So bist du früher nie gewesen. " "Das muß davon gekommen sein, daß ich ständig auf Achse war. Ich habe niemals diese Ruhe gespürt..." Sie berühren sich jetzt, ohne Dringlichkeit, noch nicht ganz, keiner von ihnen, fertig mit der Überraschung ... "Mein kleiner Bruder" (Pirat begreift den Zusammenhang, den sie hergestellt hat) "ist mit achtzehn von zu Hause weg. Ich habe es geliebt, ihn nachts zu beobachten, wenn er schlief. Seine langen Wimpern ... so unschuldig ... stundenlang konnte ich ihm zusehen ... Er ist bis Antwerpen gekommen. Es dauerte nicht lange, und er lungerte um die Pfarrkirchen herum, wie all die andern. Verstehst du, was ich meine? Junge, katholische Burschen. Lagerfeuerromantik. Viele von ihnen waren schon in jungen Jahren vom Alkohol abhängig. Jeder von ihnen wählte sich einen bestimmten Priester und wurde dessen treuer Hund. Buchstäblich. Sie warteten ganze Nächte vor seiner Türschwelle, nur um mit ihm sprechen zu können, wenn er gerade frisch aus dem Bett kam, wenn die Ausdünstungen seines Körpers, die Gerüche des Lakens noch nicht verflogen waren aus den Falten der Soutane... krankhafte Eifersüchteleien, tägliche Positionskämpfe um die Favoritenrolle bei Pater Y oder X. Louis begann, die Zusammenkünfte der Rexbe-wegung zu besuchen. Er ging auf einen Fußballplatz und hörte Degrelle, wie er der Menge predigte, daß sie sich alle von der Flut

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