Die Enden der Parabel
identifiziert Tschitscherins Unterschrift. "Ah ja. Ich habe selbst schon ein- oder zweimal mit Oberst Tschitscherin zusammengearbeitet. "
"Hasde schon gehört, was da oben in Peenismunde passiert is? 'n paar Arschlöcher haben sich den Springer direkt unter der Nase vom Oberst untern Nagel gerissen. Yeah. Kennsde den Springer? Ein schweres Kaliber, Kamerad. Der Scheißer hat seine Finger in so vieln Sachn drin, daß für freie Unternehmer wie mich und 'n altn Bloody Chiclitz nich mehr viel übrigbleibt!"
Der alte Bloody Chiclitz, dessen Mutter, Mrs. Chiclitz, ihn auf den Namen Clayton taufen ließ, hat mit einer 45er, die er auf Slothrops Bauch gerichtet hält, hinter einem Stapel Nerzcapes gelauert. "Er is okay, Sportsfreund!" ruft Marvy. "Warum bringsde uns nich noch mehr von diesem Schampus." Chiclitz ist ungefähr so fett wie Marvy und trägt eine Hornbrille, und sein Scheitel glänzt nicht weniger als sein Gesicht. Die Arme um des anderen Schultern gelegt, stehen sie vor Slothrop, zwei grinsende Fettsäcke. "Iwan, was du vor Augen hast, sind 10000 Kalorien täglich, und zwar hier!" er deutet mit dem Daumen auf die beiden Wänste und zwinkert. "Chiclitz kann gut das Royal Baby machn", und beide brechen sie vor Lachen fast zusammen. Aber es ist wahr. Chiclitz hat tatsächlich eine Marktlücke ausbaldowert, mit der er noch aus den Truppenverlegungen Geld schlagen wird. Er schachert gerade mit den Special Services um einen Exklusivvertrag über die Organisation und Durchführung der Äquatortaufen auf sämtlichen Truppentransportern, die die Hemisphäre wechseln. Und Chiclitz selbst wird so oft als möglich das Royal Baby spielen, das wird festgeschrieben. Er träumt schon jetzt von den Generationen von Kanonenfutter, die auf Knien zu ihm hinrutschen werden, um seinen Bauch zu küssen, während er Truthahnkeulen und Eiskremtüten verschlingt und sich die Finger im Haar der "Kaulquappe" zu seinen Füßen abwischt. Offiziell ist er einer der amerikanischen Industriellen, die mit der T-Force hier sind, um auf deutsche Technologien Jagd zu machen, auf Geheimwaffen im besonderen. Drüben hat er in Nutley, New Jersey, eine Spielzeugfabrik. Wer wird je einen Verkaufsschlager wie den Juicy Jap vergessen können, jene Japs-Puppe, die man mit Tomatenketchup füllte und anschließend durch mehrere vorperforierte Schlitze mit dem Bajonett durchlöcherte, bis das Ding in Stücke flog, 82 täuschend glitschige Plastikteile, die durchs ganze Zimmer spritzten? o-oder Shuf-flin' Sam, ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man einen Neger erschießen muß, ehe er mit der Wassermelone wieder zurück über den Zaun ist, eine wirkliche Herausforderung für die Reflexe von Schuljungen und Mädchen aller Altersstufen? Im Augenblick trägt sich die Fabrik gerade selbst, aber Chiclitz hat schon ein Auge auf die Zukunft geworfen. Das ist auch der Grund, weshalb er diese Pelzaktion aufgezogen hat, bei der ihm die Michaeliskirche als Stammlager für die ganze Region dient. "Sparmaßnahmen. Ich muß die Kapitaldecke strecken, bis ich weitersehe", und er kippt Champagner in goldene Kommunionskelche, "bis sich abzeichnet, wo die Chancen liegen. Ich für meinen Teil glaube, daß diese V-Waffen eine große Zukunft haben. Die werden noch mal ganz groß rauskommen!"
Die alte Kirche riecht nach verschüttetem Wein, amerikanischem Schweiß und frisch verbranntem Kordit, aber das sind rauhe, neuere Eindringlinge, die die alten, katholischen Gerüche nicht vertrieben haben - Weihrauch, Wachs, Jahrhunderte des frommen Blökens von den Lippen der Herde. Kinder kommen und gehen, schleppen Pelze herein und hinaus, schwatzen mit Ludwig und laden ihn schließlich ein, zum Güterbahnhof mitzukommen und sich die Waggons anzuschauen. Auf Chiclitzens Lohnliste stehen an die dreißig Kinder. "Mein Traum ist", gibt er zu, "die ganzen Kinder nach Amerika mitzunehmen, rüber nach Hollywood. Ich glaube, daß es beim Film eine Zukunft für sie gibt. Habt ihr von Cecil B. DeMille gehört, dem Produzenten? Mein Schwager kennt ihn ganz gut. Ich würde sie im Singen drillen oder irgend so was, ein Kinderchor, und sie DeMille en bloc anbieten. Er könnte sie in den wirklich großen Nummern bringen, religiöse Szenen, Massenorgien -" "Ha!" schreit Marvy, Champagner prustend, daß ihm die Augen aus dem Kopf treten. "Du träumst tatsächlich, Sportsfreund! Wenn du diese Blagen an Cecil B. DeMille verschacherst, dann isses verflucht sicher, daß se nich viel zum Singen kommen
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