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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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neutralem Boden. Statt dessen taucht der Mann da auf. Und die beiden Schleicher in Zivil mischen jetzt auch noch mit." "Bist 'n Spion, hm? Oder so was?"
    "Ich wollt, ich wär wenigstens das. Oboy. Ich hätt wirklich klüger sein sollen." "Das klingt ja alles ganz schön schlimm." Und Seaman Bodine chauffiert schweigend weiter, sichtlich unfroh, grübelnd, bald von Gefühlen übermannt: "Sag, wenn sie wirklich... ich meine, dich schnappen, tja... ich könnte deine Mom verständigen oder so was... "
    "Meine -" Ein scharfer Blick. "Nein. Nein, nein, nein." "Oder sonst jemand auch." "Wüßte nicht, wen." "Mensch, Rocketman..."
    Putzis Etablissement entpuppt sich als ein ausladendes, festungsähnliches Herrenhaus aus dem vergangenen Jahrhundert. Abseits der Straße nach Dorum und seewärts, am Ende eines sandigen Paars Reifenspuren, zwischen denen Schilf und steifes Dünengras wachsen, liegt das Haus wie ein breites Floß über dem Kamm eines riesigen Sandhügels, der von einem Strand aufsteigt, dessen Neigung so unmerklich sanft ist, daß er nur ganz überraschend zu Wasser wird, ruhig und salzigbleich, kilometerweit in die Nordsee hinausgestreckt wie eine Wolkenbank, hier und da silbriger, langgezogene Zeil- oder Hautformen, gewebedünn, destilliert unter dem Mond, weit ausgreifend bis nach Helgoland.
    Das Gebäude ist nie requiriert worden. Kein Mensch hat je den Besitzer gesehen oder weiß auch nur, ob "Putzi" überhaupt in Fleisch und Blut existiert. Bodine lenkt den Laster zielsicher in etwas hinein, das früher die Stallungen waren, und alle steigen aus. Shirley schreit im Mondenschein hurra, Krypton murmelt Mannomann, abwechselnd mit großen Bissen von diesem Prachtstück. An der Tür gibt's ziemliche Scherereien bezüglich Losungswort und Schweineanzug, bis Slothrop seinen weißen Plastikspringer zückt, worauf sich die Pforten augenblicklich öffnen. Innen finden sie eine strahlend hell erleuchtete, geschäftige Kombination aus Bar, Opiumhöhle,
    Kabarett, Spielcasino und Haus von zweifelhaftem Ruf vor, alle Räume summend belebt von Soldaten, Matrosen, Nutten, Freiern, Gewinnern, Verlierern, Verschwörern, Schiebern, Junkies, Voyeuren, Homosexuellen, Fetischisten, Spionen und Leuten, die einfach nur Anschluß suchen, ein Durcheinanderreden, -singen und -krakee-len, dessen beträchtlichen Lärmpegel die verschwiegenen Mauern des Hauses vollständig gegen draußen abschirmen. Düfte von Parfum, Rauch, Alkohol und Schweiß zirkeln in Wirbeln durch die Räume, die zu zart sind, als daß man sie fühlen oder sehen könnte. Es ist ein driftendes Fest, das keiner je zu vertagen versucht hat: eine Siegesparty, die so beständig ist, so leicht den Neuling wie den Veteranen in ihre Arme schließt, daß der aufstehen soll, der da sagen kann: welcher Sieg? welcher Krieg?
    Der Springer ist nirgends zu sehen und wird, wie Slothrop aus zufälligem Herumfragen aufschnappt, wenn überhaupt erst später kommen. Nun ist dies aber zufälligerweise der vereinbarte Termin für die Übergabe der Entlassungspapiere, den sie auf der Fahrt mit Frau Gnahb nach Stralsund ausgemacht haben. Und heute nacht, ausgerechnet heute, nachdem sie ihn eine ganze Woche lang nicht behelligt hat, muß sich die Polizei entschließen, Slothrop hopszunehmen. Aber ja, was denn sonst NNNNNNNN Guten Abend Tyrone Slothrop, Wir Haben Schon Auf Dich Gewartet. Natürlich Sind Wir Hier. Hast Du Etwa Im Ernst Geglaubt, Wir Würden Uns In Luft Auflösen? Nein, Tyrone, Nein, Wenn Du Wirklich So Dumm Sein Willst Müssen Wir Dir Noch Mal Weh Tun Und Immer Wieder Und
    Wieder Bis Du Weißt Wie Dumm Du Bist Wie Hoffnungslos Wie Verdammt. Glaubst Du Tatsächlich, Daß Du Jemals Etwas Finden Wirst? Und Wenn Es Nun Der Tod Ist, Tyrone? Und Wenn Wir Nicht Zulassen, Daß Du Etwas Findest? Wenn Wir Nicht Zulassen, Daß Du Deine Entlassung Bekommst? Dann Wirst Du Immer Und Ewig So Weitermachen, Tyrone, Oder Nicht? Vielleicht Ist Es Das, Was Wir Wollen? Du Hast Keine Ahnung, Stimmt's? Wie Kommst Du Überhaupt Auf Den Gedanken, So Gut Spielen Zu Können Wie Wir? Du Kannst Es Nicht. Du Glaubst, Daß Du Gut Bist, Aber In Wirklichkeit Bist Du Scheiße. Und Wir Wissen Es Alle. Es Steht In Deinem Dossier. (Gelächter. Summen.)
    Bodine findet ihn in einem Schrank sitzend und an einem Samtohr seiner Maske nagend. "Du siehst schlecht aus, Rocky! Hier, das ist Solange. Sie ist Masseuse." Solange lächelt seltsam, ein Kind, das man hergebracht hat, damit es sich das ulkige Schwein in

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