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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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er versuchen, von seinem Rad abzuspringen. Sein Zorn und seine Frustration werden anwachsen ins Grenzenlose, und er, die arme, wunderliche Birne, wird plötzlich merken, daß er es genießt... Laszlo Jamf entfernt sich entlang der Böschung des Kanals, in dem jetzt Hunde schwimmen, Hunde in Rudeln, Hunde, deren Köpfe mit ruckartigen Stößen durch den Schaum auf den Kanälen ziehen ... Hundeköpfe, Schach-Springer, man kann sie auch, unsichtbar in der Luft, über geheimen Flugzeugbasen finden, im dicksten Nebel, wo das Zusammenwirken von Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit Formen von Springern bildet, die der eingestimmte Flieger fühlen, die der Radarstrahl sehen, die selbst der hilflose Passagier durch das kleine Fenster ab und zu fast ahnen kann, wie hinter einem Vorhang von Dampf ... es ist der gute Hund, der Hund, den kein Mensch je konditio-niert hat, der uns hier begleitet, zu Anfängen und Enden und auf Reisen, die uns befohlen sind, nicht völlig gegen unseren Willen ... Die Bügelfalten in Jamfs Anzug entschlängeln sich dem Blick gleich Irisblättern im Wind eines Hinterhofs. Der Colonel bleibt allein in Glückstadt zurück. Das Zentrum aus Stahl erwartet ihn, wo das gleichförmige Wolkenlicht einen weißen Streifen über jedes der großen Gebäude senkt, die als Modulationen auf das perfekte Netz der Straßen gepflanzt sind, jeder Turm in einer anderen Höhe abgeschnitten - und wo ist der Kamm, der durch diese Haare fahren und die vollkommene, alte, kartesianische Harmonie wiederherstellen wird? Wo sind die himmlischen Sensen, die in Glückstadt wieder Ordnung schaffen werden?
    Kein Grund, hier nun Gewalt und Blut hereinzutragen. Aber der Colonel hat seinen Kopf zurückgebogen, hält ihn in einer Geste, die wahre Unterwerfung meinen mag: er bietet seine Kehle der Schmerz-Strahlung der Birne dar. Paddy McGonigle ist der einzige weitere Zeuge, und er, ein Einmann-Kraftwerk mit eigenen Träumen, wüßte den Colonel so gerne aus dem Weg geräumt wie jeder andere auch. Eddie Pensiero, dem der Blues durch seine schlotternden Muskeln fährt, der niedrige, sterbliche Blues, hält seine Schere so, wie Friseure es eigentlich nicht tun sollten. Die Spitzen, bebend im elektrischen Kegel, zielen nach unten. Eddie Pensieros Faust schließt sich über dem stählernen Griff, aus dessen Löchern seine Finger längst geschlüpft sind. Der Colonel, mit einem letzten Zurückwerfen seines Kopfes, entblößt die Halsschlagader, eindeutig ungeduldig mit -

[ 4.4] Katje auf einem gestohlenen Fahrrad

    Auf einem gestohlenen Fahrrad fährt sie in die Stadt ein: über der Haarkrone ein weißes Kopftuch, das hinten in zwei Zipfeln flattert, eine distinguierte Abgesandte eines erkämpften, abgekämpften Landes, selbst voll von altem Titel, doch ohne alles, das nutzbare Macht verhieße, und sei's nur in der Phantasie. Sie trägt einen abgetragenen weißen Anzug, einen Tennisanzug aus der Vorkriegszeit, mit nicht mehr messerscharf, sondern weicher, zufälliger, halb knautschig fallender Bügelfalte, mit blauer Zeichnung in den Schattenflecken, ein Anzug für Wetterumschwünge, für die Schatten der Blätter, das Krümeln von Braun und Sonnengelb, das darüber hinzieht, während sie gedankenverloren, doch ohne privates Lächeln, unter den belaubten Bäumen über den hartverkrusteten Schlamm der Straße rollt. Ihr Haar ist in Flechten um ihren Kopf gewunden, den sie weder zu hoch trägt noch, wie man zu sagen pflegte, "nachdenklich", sondern einer Zukunft zugewandt (besser: entgegen), die wieder eine eigene Kontur hat, zum erstenmal seit dem Casino Hermann Goering... und ihre Zeit, ihr Augenblick, hat nichts mit unserer gemein. Der äußerste Wachtposten späht aus seiner rostgrätigen Zementruine, und für zwei volle Umdrehungen des Pedals sind beide, Katje und er, draußen im Tageslicht, das verschmilzt mit festgepreßter Erde, Rost, der klecksenden Perforation von Sonnenstrahlen, kalt, golden, glatt wie Glas, dem frischen Wind in den Zweigen. Hyperthyreotische afrikanische Augen, die Iris bedrängt wie frühe Kornblumen vom Ansturm weißer Felder... Ooga-booga! Muß gleich auf diese Tromml haun, musses dem Rest vom Stamm im Dorf durchtrommln, yowzah!
    Also DUMdumdum, DUMdumdum, okay, aber noch immer hat ihre Haltung selbst für Neugier keinen Raum (natürlich, waren nicht Trommeln zu erwarten, ein Risiko von Gewalt? Eine Schlange, die von einem Ast herabstößt, eine mächtige Anwesenheit dort vorne, zwischen den tausend

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