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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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nickenden Wipfeln, ein Schrei tief in ihr selbst, ein
    Sprung empor in frühesten Schrecken, dem sie sich unterwirft und so - hat sie geträumt -sich ihre Seele neu gewinnt, ihr langverlorenes Ich ...). Auch wird sie jetzt nicht mehr als Seitenblicke für die deutschen Wiesen übrig haben, so tief hinausgereckt in grünen Dunst und Hügel, die bleichen Marmorglieder der Baluster neben Sanatoriumspromenaden, die in rastlosen Fieberkurven, Krämpfen, in ein Dickicht aus penisknospigem Dorngebüsch ausschlagen, das so alt, so ohne Trost ist, daß die Augen davon festgehalten werden, bei den Tränendrüsen gepackt und hineingezogen, um dort, um jeden Preis, den Weg zu finden, der so jäh verschwand ... oder um durchzudringen, um dahinter eine Spur des Kurbads zu entdecken, eine Arkade des Sprudelhofs, die Spitze über der zuk-kerbäckerweißen Kurkapellenmuschel, irgend etwas, das dem faunischen Geflüster Pans in den dunklen Büschen Widerstand leistete Komm her ... vergiß sie doch ... komm hier herein ... Nein. Nicht Katje. Sie ist in den Büschen und den Dickichten gewesen. Sie hat sich nackt dargeboten im Tanz, hat ihre Fotze aufgespreizt vor den Hörnern der Bestien, die im Dickicht hausten. Sie hat den Mond in den Sohlen ihrer Füße gefühlt, seine Gezeiten aufgenommen mit den Furchen ihres Gehirns. Pan war ein lausiger Liebhaber. Heute, in der Öffentlichkeit, haben sie nicht mehr als nervöse Seitenblicke füreinander übrig.
    Was wirklich folgt, und das ist recht beängstigend, ist der Auftritt, plötzlich und aus dem Nichts heraus, einer kompletten
    Chorus Line von Herero-Männern, die weiße Matrosenanzüge, deren Schnitt Ärsche, Eier, schmale Taillen, breite Brustkästen betont, und ein ganz in Silberlame gehülltes Mädchen tragen, eine knallige, vulgäre Pritsche im Stil von Diamond Lil oder Texas Guinan. Sobald sie sie abgesetzt haben, beginnen alle zu tanzen und zu singen:
    Pa-ra-noooiiia, Pa-ra-noia! Ist's nicht toll, dies treue Antlitz, hier-zu-sehn? Pa-ra-noi-ya, oi-oi-oi-ja! Die blonde Weißt-schon-was, von, Damals, weißt-schon-wann! Nicht mal ein Goo-ya, Könnte dich zeichnen, Para, noo-ya, Steckt sie in einen Zoo hoho-ja! Daß jeder-sie, bewundern, kann!
    Dann treten Andreas und Pavel in Steppschuhen auf (die sie bei einer ziemlich unverschämten ENSA-Truppenbetreuungs-show abgestaubt haben, die im Juli durchkam), um eine von diesen Stakkato-Step-und-Gesangs-Nummern abzuziehen:
    Pa- ra- noi- (clippety-clippety-clippety cl[ja]op!) Pa- ra- noi- (shufflestomp! shufflestomp! shufflestomp! [und] cl[ja,]op! clickety cl[Ist's]ick) nicht toll (clop) dies (clop) treu-(clippyclop)e Antlitz, hier-zu-sehn? etc.
    Tja, Katje braucht noch nicht einmal acht Takte, um zu bemerken, daß diese scharfe Wasserstoffblondine niemand andrer als sie selbst ist: sie selbst steppt diese Tanznummer mit den schwarzen Landmatrosen. Nachdem sie weiter mitgekriegt hat, daß sie dabei die allegorische Figur der Paranoia verkörpert ('ne tolle alte Lady, etwas überdreht zwar, aber ein Herz aus purem Gold), kommt ihr die jazzige Vulgarität dieser Musik erst recht ein wenig peinsam vor. Was ihr vorgeschwebt hatte, war mehr die Isadora-Duncan-Masche, antikisch und verschleiert und -naja: weiß eben. Pirat Prentice hat sie auf Folklore, Politik und Strategien der Zone vorbereitet - aber nicht auf Schwärze. Wenn's doch gerade das ist, worüber sie am meisten wissen müßte. Wie kann sie jetzt durch so viel Schwärze gehen, um sich zu befreien? Wie kann sie erwarten, Slothrop zu finden? inmitten solcher Schwärze (sie subvokalisiert das Wort, wie ein alter Mann den Namen einer öffentlichen Unperson aussprechen könnte, läßt es in echtes Schwarz vertröpfeln: ins Nicht-mehr-ausgesprochen-Werden). Sie spürt die störrische, repressive Hitzewallung in ihrem Denken. Nichts vom Hautprickeln des wirklichen Rassisten, nein, aber das Gefühl, noch eine Bürde mehr aufgehalst zu kriegen, zusätzlich zum zonalen Lebensmittelmangel, zu den Nachtquartieren in Hühnerställen, Höhlen, Kellerlöchern, zu der Besatzungsangst, der Drückebergerei, die so schlimm sind wie Holland im vergangenen Jahr, hier zwar viel angenehmer, lotoskuschlig, aber nicht weniger verheerend in der Welt der Wirklichkeit, an die sie noch immer glaubt und in die zurückzukehren, eines Tages, sie nie zu hoffen aufhört. Als ob das alles nicht genug wäre, muß sie nun also auch noch mit Schwärze fertig werden. Nur ihre Ahnungslosigkeit davon kann ihr hier

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