Die Enden der Parabel
Tradition von Constable Stuggles an jenem großen Tag, Namen anböten für das Unbekannte, kaum je Geschaute? Die Antwort ist ja, all das und noch viel mehr. Laßt euch bei der "Weißen Visitation" mal von dem großen Plan erzählen, den BBCs eloquenter Myron Grunton ausgeheckt hatte, dessen sirupsanfte Stimme jahrelang durch das rostbraune, durchscheinende Boucle der Radiolautsprecher in englische Heime und Hirne gesickert ist, in neblige Greisenträume, Kinder am Rande des Schlafs ... Immer wieder hatte er diesen Plan aufschieben müssen, nur eine einsame Stimme zunächst, ohne Zugang zu den Daten, die er unbedingt benötigte, ohne Unterstützung, doch stets auf der Jagd nach der deutschen Seele, mit allen Hilfsmitteln, die ihm zu Gebote standen, Gefangenenverhören, Foreign-Office-Handbüchern, den Brüdern Grimm und eigenen Touristenerinnerungen (junge, schlaflose Rückblenden in die Dawes-Jahre, Südhänge über dem Rhein, bärtig von Weingärten, hellgrün in der Sonne, nachts schmale Nelkenbeete, die gerüschten Strumpfbänder in den geschlagenen Rauchkellern der Hauptstadt, Seidenstrümpfe, schimmernd in einer Kreuzschraffur von Licht...). Aber schließlich kamen die Amerikaner, kam das Arrangement, das als SHAEF bekannt ist, und mit ihm eine erstaunliche Menge Geld.
Das Projekt läuft unter dem Namen "Operation Schwarzer Flügel". Unglaublich tüftelige Konstruktion, volle fünf Jahre Vorbereitung! Keiner könnte sich das alles allein zugute schreiben, nicht einmal Grunton. Von General Eisenhower stammt die große Leitlinie, die sogenannte "Strategie der Wahrheit". Etwas "Reales" sollte als Grundlage dienen, darauf bestand Ike: ein Haken in der pockennarbigen Erschießungswand des Krieges, um die Geschichte daran aufzuhängen. Pirat Prentice von der Special Operations Executive steuerte die erste harte Info bei, daß es in Deutschland tatsächlich echte Afrikaner gab, Hereros aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest, die mit irgendwelchen Aufgaben im Geheimwaffenprogramm betraut waren. Myron Grunton extemporierte eines Nachts in seiner Sendung jene inspirierten Worte, die später Eingang in die erste Direktive des Schwarzen Flügels fanden: "Einst behandelte Deutschland seine Afrikaner wie ein strenger, doch liebender Stiefvater, der sie bestrafte, wenn es geboten schien, nicht selten mit dem Tod. Erinnern Sie sich? Aber das war in Südwest, weit weg, und liegt schon eine ganze Generation zurück. Heute lebt der Herero unter dem Dach seines Stiefvaters. Vielleicht haben Sie, die Sie mir zuhören, ihn selbst gesehen. Er bleibt wach nach den Sperrstunden und beobachtet seinen schlafenden Stiefvater, unsichtbar, im Schutz der Nacht, die seine eigene Farbe trägt. Was denken all diese
Hereros? Wo sind sie heute nacht? Was tun sie, jetzt, in diesem Augenblick, eure dunklen, geheimnisvollen Kinder?" Und schließlich hat der Schwarze Flügel sogar noch einen Amerikaner auf getrieben, einen Lieutenant Slothrop, der bereit war, unter leichter Narkose die Rassenproblematik in seinem eigenen Heimatland zu erhellen. Eine unschätzbare, zusätzliche Dimension. Gegen Ende, als immer mehr konkrete Daten über die Stimmung auf dem Kontinent erhoben wurden - YankeeSchnüffler mit quietschenden Winterstiefeln oder Galoschen und endlosen Fragebögen bohrten in schneebedeckten, befreiten Ruinen nach den Trüffeln der Wahrheit, die, nach dem Glauben der Altvorderen, vom Blitzschlag im Gewitter gezeugt werden -, gelang es einem Kontaktmann beim amerikanischen PWD, Kopien dieser Umfragen zu entführen und sie der "Weißen Visitation" zugänglich zu machen. Keiner kann sich mehr erinnern, wer als erster die Bezeichnung "Schwarzkommando" aufs Tapet brachte. Myron Grunton hätte "Das Wütende Heer" vorgezogen, jenen geisterhaften Heldenhaufen, der in wilder Jagd über die Heiden des Himmels hetzt, mit dem großen Wotan an der Spitze. Doch Myron mußte einräumen, daß dies ein ziemlich nordlastiger Mythos war: in Bayern mochte seine Effizienz zu wünschen übriglassen. Wogegen "Schwarzkommando" ... Alle predigen sie Effizienz, eine amerikanische Häresie, vielleicht besonders bei der "Weißen Visitation". Am lautesten schreit meistens Pointsman, der oft Statistiken ins Feld führt, die ihm Roger Mexico besorgt. Mit der Landung in der Normandie hatte sich die Lage für Pointsman fatal zugespitzt. Er hatte erkennen müssen, daß die große europäische Zange schließlich zum Erfolg führen würde. Daß dieser Krieg, als dessen
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