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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Mikrophone: "Wellen... Wellen... Kreuz... Stern..."Im kalten Tiefparterre sitzt einer von der Psi-Sektion vor einem Lautsprecher und schreibt mit. Sekretärinnen in wollenen Schals und Gummigaloschen zittern in der winterlichen Kälte, die durch das rissige Gemäuer des alten Irrenhauses hereindringt, ihre Schreibmaschinentasten klappern wie die Perlmuttpailletten ihrer Kostümjäckchen. Maud Chilkes, die von hinten fast so aussieht wie Margot Asquith auf dem Photo von Cecil Beaton, sitzt da und träumt von einer Tasse Tee und einer Rosinensemmel. Im ARF-Flügel dösen die entführten Hunde, kratzen sich, erinnern schattenhafte Gerüche von Menschen, die sie vielleicht geliebt haben, lauschen mit trockenen Mäulern Ned Pointsmans Oszillatoren und Metronomen. Ausgefahrene Markisen lassen das Tageslicht nur gedämpft passieren. Hinter einem Sichtfenster bewegen sich Techniker hin und her: durch die dicke Scheibe wirken ihre Arbeitskittel grünlich und submarin, ihre Gesten verlangsamt und trübe... Betäubung greift um sich, ein fühlbares Dunklerwerden. Mit hölzernem Echo setzt ein Metronom ein, Schlagnormal von achtzig, und Hund Wanja, der oben ans Versuchsgestell gefesselt ist, beginnt zu speicheln. Alle anderen Geräusche werden sorgsam abgeschirmt: die Tragbalken unter dem Boden des Labors sind in Sand eingebettet, Sandsäcke, Strohbündel und Uniformen von toten Soldaten füllen die Hohlräume zwischen den fensterlosen Mauern ... wo einst ländliche Tollhäusler vor sich hin stierten, Lachgas schnüffelten und in Tränen ausbrachen, wenn ein E-Dur-Akkord nach gis-Moll modulierte, erstrecken sich heute kubische Wüsten, Sandgürtel, die die Alleinherrschaft des Metronoms hinter den hermetisch verschlossenen Eisentüren des Labors garantieren.
    Der Ausführungsgang von Hund Wanjas Unterkieferdrüse ist schon vor langer Zeit durch einen Einschnitt in seinem Kinn nach außen geführt und dort vernäht worden. Nun leitet er den Speichel direkt in einen Sammeltrichter, dendort mit dem traditionellen, orangefarbenen Pawlowschen Zement, einer Mischung aus Kolophonium, Eisenoxyd und Bienenwachs, festgekittet ist. Ein Vakuum saugt das Sekret in ein schimmerndes Glasröhrchen, an dessen rechtem Ende es eine Säule aus leichtem, rotem Öl verdrängt, die nach "Tropfen" kalibriert ist - eine willkürliche Einheit, die mit den historischen Tropfen des Jahres 1905 in St. Petersburg wahrscheinlich nicht identisch ist. Aber sie erlaubt es, die Speichelmenge für diesen Hund Wanja in diesem Labor bei der Metronomzahl 80 jedesmal exakt vorherzusagen.
    Nun, da er in die "ausgleichende" Phase eingetreten ist, die erste der transmarginalen Phasen, schiebt sich, kaum merklich, eine Membrane zwischen Hund Wanja und die Außenwelt. Das Innen und das Außen selbst bleiben unverändert, aber die Schnittstelle - die Rinde von Hund Wanjas Gehirn - verändert sich, und zwar erheblich, und das ist das wahrhaft Bemerkenswerte an diesen transmarginalen Phänomenen. Es kommt jetzt nicht mehr darauf an, wie laut das Metronom tickt. Ein stärkerer Reiz ruft keine stärkere Reaktion mehr hervor. Die Anzahl der Tropfen bleibt gleich. Ein Mann kommt herein und trägt das Metronom in die entfernteste Ecke des schallgedämpften Raumes. Es wird in eine Schachtel gelegt und die Schachtel unter ein Kissen, auf dem maschinengestickt die Worte Andenken an Brighton zu lesen sind, aber die Zahl der Tropfen nimmt nicht ab ... es wird vor ein Mikrophon gestellt, ein Verstärker wird angeschlossen, so daß jedes Ticken wie ein Schrei den Raum erfüllt, aber die Zahl der Tropfen nimmt nicht zu. In jedem Falle schiebt der helle Speichel die rote Linie nur bis zur gleichen Markierung, zur gleichen Tropfenzahl...
    Webley Silvernail und Rollo Groast huschen auf leisen Sohlen durch die Korridore, äugen blitzschnell in die Büros, um zu sehen, ob sie irgendwo ein paar Zigarettenkippen abstauben können. Die meisten Räume sind im Augenblick menschenleer: wer die Geduld und den Masochismus dafür aufbringt, läßt gerade das gewohnte Ritual mit dem tatterigen Brigadier über sich ergehen. "Dieser alte Mann kennt wirklich keinerlei Scham", Geza Rozsavölgyi, ein weiterer Flüchtling (und leidenschaftlicher Sowjetgegner, was zu gewissen Spannungen mit der ARF führt),
    wirft seine Hände in fröhlicher Verzweiflung brigadierpuddingwätts, während sein singendes ungarisches Zigeunergeflüster wie ein Tamburin durch die Halle klingelt. Er regt wirklich jeden auf damit,

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