Die Enden der Parabel
sprachlos wie Rauhandels Staunen über seine Fähigkeiten? Er hat so viele Rauhandels gekannt, zumal seit 1939, die ähnliche geheimnisvolle Gäste in sich bargen, Fremde, oft nicht bizarrer als die Gabe, stets dort zu sein, wo die Granaten nicht einschlugen ... ob nur ein einziger von ihnen, von diesem Rohmaterial, "die Wandlung" will? Er bezweifelt es ... Ihre Reflexe werden nur benützt, hunderttausendfach benützt, von anderen - von königlichen Motten, die die Begeisterung der Flamme kennen. Blicero hat schon vor Jahren alle Naivität in dieser Frage eingebüßt. Und deshalb ist sein Schicksal der Ofen, während die verirrten Kinder, die niemals begriffen haben, bei denen sich nur die Uniformen und die Ausweiskarten wandeln, überleben und gedeihen werden, noch lange nach seinem Rauchfangabgang in Asche und Qualm. So ist es, nicht anders. Ein Wandervogel in den Bergen des Leids. Viel zu lange dauert das ja alles schon, er hätte das Spiel doch ganz umsonst gespielt, wenn er nun um dieses Ende betrogen würde, nicht wahr? Zu alt ist er inzwischen, da sich jede Grippe länger hinzieht, der Magen zu oft tagelang verstimmt ist, das Augenlicht mit jeder Untersuchung nachläßt, zu sehr auch "Realist" geworden, um einen Heldentod, oder auch nur einen auf dem "Feld der Ehre", vorzuziehen. Er wünscht sich nur noch fort aus diesem Winter, hinein in die Wärme des Ofens, die Dunkelheit, das stählerne Obdach, will nur noch sehen, wie sich die Ofentür über einem immer schmäler werdenden Streifen von Küchenlicht mit Krachen schließt, für immer. Der Rest ist Vorspiel. Und dennoch sorgt er sich, mehr als er sollte (und darüber selbst verwundert), um die Kinder - um ihre Motive. Er denkt, daß sie wohl ihre Freiheit wollen, sich nach ihr sehnen wie er nach dem Ofen, und solche Unnatur quält und bedrückt ihn ... Wieder und wieder kehrt er zum öden und sinnlosen Bild eines Häuschens im Wald zurück, von dem außer Krümeln und klebrigen Zuckerflecken nur noch der Ofen geblieben ist, schwarz und unzerstörbar, während zwei Kinder, den Gipfel der süßen Energien schon im Rücken, mit neu erwachendem Hunger davonwandern, in eine grüne Leere von Bäumen hinein ... Wohin werden sie gehen, wo in den Nächten Unterschlupf finden? Kindlicher Übermut... und das bürgerliche Paradox dieses ihres kleinen Staates, der auf demselben Ofen begründet ist, der ihn zerstören muß ... Doch jeder wahre Gott muß Schöpfer und Zerstörer sein zugleich. Ihm, der in christlicher Umgebung aufgewachsen war, fiel es schwer, das zu verstehen, bis zu seiner Reise nach Südwest: seiner eigenen Eroberung des Schwarzen Erdteils. In der zehrenden Glut der Kalahari, unter einer endlos ausgespannten Himmelsküste, Feuer und Wasser, begann er zu begreifen. Der junge Herero, den die Missionare in die Angst getrieben hatten vor christlichen Sünden, vor Schakalgeistern und mächtigen, europäischen Strandwölfen, die ihn verfolgten, um ihm seine Seele, diesen kostbaren Wurm, der entlang der Wirbelsäule hauste, auszusaugen, versuchte nun, seine alten Götter in Käfige zu sperren, sie mit Worten an die Kette zu legen, sie, ungebärdig und gefesselt, wie sie waren, diesem so gelehrten Weißen aufzuhalsen, der so heftig in die Sprache verliebt zu sein schien. Der in seinem Köfferchen ein Exemplar der Duineser Elegien bei sich trug, die gerade erschienen waren, als er sich nach Südwest einschiffte, ein Abschieds geschenk seiner Mutter, noch nach Druckerschwärze duftend, die seinen Schlaf betäubte, während der alte Frachter von Wendekreis zu Wendekreis stampfte ... bis ihm die Sternbilder, wie die neuen Sterne des Leidlands, fremd geworden waren und sich die Jahreszeiten der Erde verkehrt hatten ... und er an Land ging in einem hölzernen Boot mit hohem Steven, das zwanzig Jahre vor ihm die blaubehosten Soldaten zum Strand getragen hatte, die den großen Aufstand der Hereros niederwarfen. Um endlich, tief im Hinterland, in einem Streifen zerklüfteter Berge zwischen den Wüsten Namib und Kalahari, sein eigenes, ergebenes Landeskind zu finden, seine Blume der Nacht. Eine unwegsame Felsenwildnis, zersprengt von der Sonne ... kilometerweit winden sich Schluchten ins Leere, ihre Sohlen zugeweht von weißem Sand, der sich in kaltes, königliches Blau verwandelt, sobald die Nachmittage länger werden ... Laß uns Ndjambi Karunga machen, Omuhona ... ein Flüstern, über die brennenden Dornenzweige hinweg, zu dem Deutschen, der dort mit seinem schmalen
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