Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
konvergiert, grenzenlos und dunkel, doch nie ganz überraschend) ... seine Worte Padre Ignacio blühen auf zum Inquisitor, schwarze Soutanen, braune, gebogene Nase, würgender Weihrauchgeruch + Beichtiger/Henker + Katje und Gottfried, beide kniend, Seite an Seite im düsteren Beichtstuhl + Kinder aus alten Märchen, auf kalten und schmerzenden Knien vor dem Ofen, dem sie Geheimnisse zuraunen, die keiner sonst erfahren darf + Hauptmann Bliceros paranoider Hexenwahn, der ihnen beiden mißtraut, Katje trotz ihrer NSB-Empfehlung + der Ofen als Lauscher/Rächer + Katje auf den Knien vor Blicero in höchstem Fummel, schwarzer Samt, kubanische Hacken, sein Penis unsichtbar in ein enges, fleischfarbenes Cachesex aus Leder gepreßt, über dem er eine falsche Fotze mit Schamhaar aus Zobelpelz trägt, von der berüchtigten Mme. Ophir in Berlin von Hand für ihn gefertigt, Schamlippen und leuchtend purpurrote Klitoris aus synthetischem Gummi und Mipolam, dem neuen Polyvinylchlorid (ganz verzweifelt war Mme. gewesen, hatte sich mit kriegsbedingter Materialknappheit entschuldigt ...). Winzige Klingen aus rostfreiem Stahl starren zu Hunderten aus lebensechter rosa Feuchte hervor, und Katje, immer auf den Knien, muß sich Lippen und Zunge daran zerschneiden, muß mit ihrem Blut abstrakte Muster auf den goldenen, ungrundierten Rücken ihres "Bruders" Gottfried küssen, ihres Bruders im Spiel, in der Leibeigenschaft... Sie war ihm nie begegnet, bis sie zum erstenmal in das beschlagnahmte Haus bei den Feuerstellungen kam, versteckt in der waldigen Parklandschaft einer mit kleinen Höfen und Gütern besiedelten Landzunge, die sich zwischen zwei Polderflächen östlich der königlichen Hauptstadt gegen Wassenaar erstreckt - doch sein Gesicht, als sie ihn erstmals sah, in herbstlichem Sonnenlicht, das durch das große Westfenster des Salons hereinströmte, kniend, nackt bis auf ein dornenbesetzes Hundehalsband, zu

Hauptmann Bliceros brüllenden Befehlen rhythmisch masturbierend, die blonde Haut vom Nachmittag in leuchtend künstlichem Orange gefleckt, in einer Farbe, die sie niemals mit menschlicher Haut in Verbindung gebracht hätte, sein Penis ein blutvoller Monolith, schmatzend hörbar in der teppichverhangenen Stille, sein Gesicht emporgewandt, doch nicht zu ihnen, sondern zur Zimmerdecke oder zu dem Himmel, für den Zimmerdecken in seiner Vorstellung stehen mögen, die Augenlider gesenkt, was sie fast immer zu sein scheinen - dieses Gesicht, dieses nach oben gewandte Gesicht, das sich jetzt, als es ihm kommt, verkrampft, ist dem so nahe, was sie ihr Leben lang in Spiegeln gesehen hat, ist ihren eigenen, starr einstudierten Mannequinblicken so verwandt, daß sie den Atem anhält, für einen Augenblick das rasche Hämmern ihres Herzens fühlt, bevor sie sich zu Hauptmann Blicero wendet und ihm eben diesen starren Blick zuwirft. Er ist entzückt. "Vielleicht", sagt er zu ihr, "werde ich dir die Haare abschneiden." Er lächelt zu Gottfried hinüber. "Vielleicht auch werde ich ihn zwingen, sich seine wachsen zu lassen." Die Demütigung würde dem Knaben guttun, jeden Morgen beim Appell, wenn er mit seiner Batterie bei Schußstelle 3 Aufstellung nimmt, dort wo einst Pferde an den tobenden, pechverfolgten Zockern des alten Friedens vorbeidonnerten - er hätte seinen Anschiß sicher, und nur sein Hauptmann könnte ihn vor Disziplinarmaßnahmen schützen. Statt dessen bekäme er, zwischen den Schüssen, bei Tag und bei Nacht, schlaflos, zu den unmöglichsten Stunden, die eigenen "Hexenzüchtigungen" des Hauptmanns zu spüren. Aber hat Blicero ihr denn die Haare kurz geschnitten? Sie kann sich nicht mehr erinnern. Sie weiß nur noch, daß sie ein-, zweimal Gottfrieds Uniform getragen hat (ja, hochgesteckt hatte sie ihr Haar und unters Käppi geschoben), mehr brauchte es nicht, um sein Double zu werden und, auf Bliceros Befehl, die Nacht "im Käfig" zuzubringen, während Gottfried ihre Seidenstrümpfe trug, ihr spitzenbesetztes Schürzchen, ihre Haube, all die Wäsche aus Satin und bebändertem Batist. Nachher aber mußte er zurück in seinen Käfig, das war Gesetz. Ihr Hauptmann duldete niemals Zweifel, wer von ihnen, Bruder oder Schwester, in Wirklichkeit die Dienstmagd sei und wer die zu mästende Gans. Wie ernst mag es ihr sein mit diesem Spiel? In einem eroberten Land, in ihrem eigenen, besetzten Heimatland, zieht sie es vor, an einer formalisierten, durchschaubaren Version dessen teilzunehmen, was sich draußen formlos und ohne jede

Weitere Kostenlose Bücher