Die Enden der Welt
nächsten Tag folgte ich ihm zur Bestattungsfeier seines Großvaters, die eine halbe Tagesreise entfernt in seinem Heimatdorf abgehalten werden sollte.
Als wir ankamen, war das Schlachtfest der Büffel gerade eröffnet worden. Zwei Jahre lang hatte die Familie des Dorfältesten den einbalsamierten Leichnam des Greises aufbewahrt und Geld für die Anschaffung der Wasserbüffel gesammelt, der kostbaren weißen vor allem, die im Jenseits Stärke, Einfluss und Wohlstand verkörpern, gut fünfzig an der Zahl. Die weiblichen Angehörigen zeterten über der Leiche, die Männer saßen erhöht auf einem Podest und überblickten Golgatha, die Schädelstätte, auf der die prachtvollen Bullen unter den tänzerisch geschwungenen Messern der Schlächter ihr Leben ließen.
Die Klinge öffnet den Hals. Wie ein Halbstarker erhebt sich der Bulle und glotzt mondän. Erst reagiert er perplex wie in unbändiger Freude, wie der Hund bei der Heimkehr seines Herrn, springend, den Körper in der Luft streckend und entfaltend. Dann macht er mit der herumreißenden Bewegung des Kopfes auf den Schmerz der Wunde aufmerksam, will korrigieren, tanzt dabei aber nur tölpelhaft und zum Amüsement der Sitzenden. Dann senkt er den Kopf, als wolle er etwas am Boden suchen, das Erdreich pflügen, wirft den Kopf zurück wie im katatonischen Rasen, reißt aber so die Wunde wie einen nassen Mund nur noch weiter auf und drückt sie denn auch gleich wieder tief zwischen die Vorderhufe, wie um den Blutfluss zu stillen.
Das Blut fällt heraus, die heftige Tätigkeit der Muskulatur geht erst in Schauern, dann bebend, dann zitternd, schließlich nur noch flackernd über den Rumpf, dann fällt er, bettet sich, in die aus dem eigenen Körpermassiv ausfließende Lache hineinblökend, pathetisch erstaunt, mit aufgerissenen Augen und geschwenktem Schwanz und flüsternden Lippen. Dort, in einer Pfütze aus schaumig aufgequirltem Blut mit Kies und Geifer, brechen seine treuherzigen Augen.
Zuletzt kommt der Tod nur noch wie eine kleine Unzufriedenheit über seine Züge. Die Kinder schneiden den kolossal gestrandeten Tieren die Schwanzquaste ab, treiben mit der großen Zehe die mattierten Augen in die Höhlen. Später trennen sie die Augen ganz heraus und spielen barfuß Murmeln damit. Bald aber sind diese sandig und wollen nicht mehr richtig kullern. Dann werden sie einzeln in einer Schale Wasser geschwenkt. Manchmal zuckt der Büffelrücken noch nach. Der Körper scheint sich ganz dem Flug der Seele überlassen zu haben, er verhaucht sich.
Die Männer sehen das ungerührt. Das kann man, solange man nicht der Junge ist, der das Kalb von dem Seim aus dem Mutterleib befreite, solange man das Jungtier nicht auf die Weide begleitet und sein Wachstum beobachtet hat, solange man der nicht ist, der es kurierte und mit Zärtlichkeiten bedachte, ihm den Nasenring anlegte und es an demselben zum Schlachtfest führte. Erst in seinem Sterben zeigt das Tier vielleicht etwas Fremdes, das auch in ihm verborgen war, ein Temperament, eine Hektik, einen Mutwillen. Das passt gar nicht zu ihm, findet der Junge, dieser Eifer, der offenbar in dem Tier verborgen war; diese Bereitschaft, den Körper bis zum Anschlag seiner Möglichkeiten zu verbiegen, sie lässt das Tier dem Jungen zuletzt noch fremd werden.
Wir saßen auf der Empore, aßen von den frischgeschlachteten Tieren zu schwarzem Wildreis, tranken vergorenen Palmwein aus einem Bambusrohr und bezeugten durch unsere Präsenz die Bedeutung des Toten. Die Kakophonie aus den Klageschreien der Weiber, dem Todesblöken der Büffel, dem Jauchzen der Kinder wollte lange nicht abebben. Gegen zwei Uhr nachts gingen wir hinab zum Fluss, um uns zu waschen:
»Die Geister haben unser Hautfett in den Flüssen angenommen«, flüsterte Michael, was ich nicht verstand, aber fühlte.
Später stiegen wir dann die Hühnerleiter empor unter eines der Satteldächer und verschwanden durch eine Luke im geschnitzten Fries. Das Innere roch warm vom Blut, das aus dem Sand immer noch nach oben dampfte. Das Aroma des Schlachtens hatte sich unter dem Giebel gefangen. Zwei Kerzen im Tiegel brannten neben einem Schlaflager und beleuchteten das schreckliche Bild einer barbusigen Andalusierin auf einem Esel, ein Bild, das die Eltern seit zehn Jahren hatten hängen lassen aus Angst, der Gast, der es ihnen einst geschenkt hatte, könne wiederkommen und es vermissen.
Wir lagen schon, als Michael sich noch einmal aufrichtete:
»You want to meet my
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