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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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lassen. Jeder, der ihn sah und
ihn reden hörte, war schnell gefangen, aber wußte nicht zu sagen, warum.«
    Ihre Stimme war nicht wirklich atemlos,
es war nur, weil sie nicht wußte, wohin sie atmen sollte.
    »Er war von mittlerer Größe, hatte
blonde Locken, und blaue Augen leuchteten in einem Engelsgesicht. Bescheiden
war er gekleidet, und bescheiden sprach er die Menschen an. Schon ein kurzes
Zusammensein genügte, und sie hatten das Gefühl, jemanden gefunden zu haben,
mit dem sich das Leben meistern ließe. Es war ihnen ein unverdientes Glück in
den Schoß gefallen. Die Frauen, die er auf seinem Weg traf, baten ihn, etwas zu
essen anzunehmen. Nie bat er selbst darum, es sei denn durch seine bloße
Erscheinung. Die Männer klopften ihm auf die Schulter, überrascht von ihrer
eigenen Zuneigung zu dem Fremden.« Ihre Knöchel waren weiß wie das Blatt, und
ihre Zehenspitzen bewegten sich auf dem Boden.
    »Kaum hatte er sich in ihrer Mitte
niedergelassen, worum man ihn innig bat, ging ihnen die Arbeit leicht von der
Hand. Jeder freute sich auf den Besuch des Fremden, der ihren Alltag versüßte
und sie in eigenartiger Erregung und mit der Hoffnung auf eine neuerliche
Begegnung zurückließ.«
    Sie las nun langsamer, ihr Mund war
eine blasse Blume, die man essen konnte, und Alakar beobachtete die Bewegungen
ihrer Lippen. Wie würde sie ihn ankündigen, wenn er jetzt vor ihr stünde?
Alakar Macody, der Dichter und Einsiedler? Alakar Macody, ein unbekanntes Genie
unserer Zeit?
    »Denn jeder, der mit ihm zusammen war,
glaubte, ein Stück Glück in Händen zu halten und die Kraft zu haben, Dinge zu
tun, die früher unerreichbar schienen. So zog mit dem Fremden die Freude zu den
Menschen des Ortes. Wenn man ihm zusah, wie er mit den Kindern spielte, sie in
die Luft warf und zum Jauchzen und Lachen brachte, konnte man glauben, er sei
einer von ihnen, den Kindern gleich. Obwohl man ihn selbst nie lachen hörte und
keine Regung in seinem Gesicht zu lesen war. Die Frauen lächelten und wandten
sich wieder ihrer Arbeit zu, die Männer spürten mit Verwunderung den Wunsch, so
zu sein wie er. Abends saßen sie am Tisch zusammen und hörten Geschichten aus
dem Leben des Mannes.« Verna schüttelte ihr Haar, sieben verschiedene
Weizentöne, einmal hatte er sich die Mühe gemacht, sie zu zählen.
    »Er erzählte ohne Mitleid mit sich
selbst von Menschen und Dingen, die ihm begegnet waren. Obwohl nie eine
Beschuldigung oder ein Wort des Hasses über seine Lippen kam, lauschten sie
gebannt und empörten sich über die schlechte Behandlung und das Unverständnis
der Leute, die ihm das Leben sauer gemacht hatten. Wer es wagte, strich ihm
über den Kopf und bat ihn, nicht traurig zu sein. Nur kurz flackerte Wehmut
hinter seinen halb geschlossenen Lidern auf, aber man hörte ihn nie seufzen
oder klagen. Viele Menschen, so empfand man, hatten ihm Böses gewollt, dabei
hatte er selbst nur Freude bringen können. Also strahlten seine Augen wieder
und wärmten die Seelen der Menschen, die ihm zuhörten. Gemeinsam begannen sie
Pläne für die Zukunft zu schmieden und wunderten sich darüber, nicht längst
selbst auf diese oder jene Idee gekommen zu sein, die dem Ort zu neuem
Wohlstand verhelfen würde.«
    Verna hob den Kopf. »Haben Sie einen
Schluck Wasser?« Alakar ging zur Spüle und holte eins seiner besten Gläser. Das
Wasser rauschte sehr laut.
    »Der Fremde«, las sie, »tüftelte von
früh bis spät, baute Modelle neuartiger Maschinen, die die Arbeit der Menschen
schneller erledigen sollten, als sie es je gekonnt hatten. Zufrieden gingen sie
zu Bett an solchen Abenden, mit Gedanken an kommenden Wohlstand, und summten
sich gegenseitig in den Schlaf, voller Freude auf den neuen Morgen. Es war in
dieser Zeit, als hätten sich Neid und Zwietracht aus dem Ort gestohlen. Die
Menschen grüßten sich fröhlich, wenn sie morgens aus der Tür traten, und wer
sich gut kannte, umarmte sich sogar. Es war, als brächen alle zu einer lustigen
Reise auf. Von Zeit zu Zeit jedoch störten Gerüchte das Glück, der Fremde hätte
sich etwas zuschulden kommen lassen an einem anderen Ort. Genauer konnte kein
solcher Schwätzer Auskunft geben, und so stand jeder einzelne Mann auf, bereit,
den Gast vor Nachrede zu schützen.«
    Alakar schlug die Beine übereinander,
verschränkte die Finger und knetete seine Flände.
    »Es hatte sich viel getan. Jeder, der
Geld besaß, gab es in einen gemeinsamen Topf, für die neuen Maschinen, die in
der Tat einen

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