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Die Endlichkeit des Lichts

Die Endlichkeit des Lichts

Titel: Die Endlichkeit des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Riedel
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Vater.«
    »Haben Sie eigentlich noch irgend etwas
im Kopf, das nicht Izzy Stern ist? Wie wär’s, wenn Sie Ihr Fotoalbum mit ins
Bett nähmen?«
    »Gestern habe ich Ihr Gedicht gehört,
Alakar. Es war doch von Ihnen? Ich kenne alle Gedichte. Das war keins, das ich
kannte.«
    »Ich hatte es verschickt. An Verlage —
da konnte ich es genausogut gleich vorlesen.«
    »Und? Hat Vera Albert sich gefreut? Ist
es schon angenommen?«
    »Wissen Sie was — die letzten paar
Tage...«
    »Ich zum Beispiel habe einen neuen Job.
Ich werde Moderationskurse geben.«
    »Glückwunsch! Jetzt gehen Sie nach
Hause.«
    »Rufen Sie mich an? Ich meine, wir
könnten ja ab und zu einen Kaffee trinken. Ich will nur wissen, welche Bücher
Sie gelesen haben.«
    »Wie oft?«
    »Nein, nur welche!?«
    »Kaffee trinken, meinte ich. Wie off?
Einmal pro Woche? Ich habe viel zu tun.«
    »Ich habe Ihren Anrufbeantworter
angerufen.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Lassen Sie uns über die Dummheit der
Menschen reden.«
    »Das war es, was er sollte.«
    »Was werden Sie mit Ihrer Million
anfangen?«
    »Ausgeben natürlich!«
    »Ach, Unsinn. Das ist zu einfach. Wir
spielen doch nicht Bäumchen-wechsle-dich.«
    »Ich denke, ich werde mich selbst
verlegen. Ich habe genug Gedichte im Schrank.«
    »Und Vera? Sagen Sie ihr besser die
Wahrheit.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Würden Sie mir dann wenigstens ein
Gedicht sagen? Eins, das sich reimt. Nur für mich. Dann kann ich mir morgen,
wenn ich Sie im Fernsehen sehe, vorstellen, wie Sie dabei ausgesehen haben.«
    »Verna...!«
    »Los, fangen Sie schon an!«
    »Schreiben Sie sich doch selbst eins.«
    »Ich kann das nicht.«
    »Tut mir leid. Ich kann das auch nicht.
Oder drehen Sie sich um. Stellen Sie sich dahinten an die Laterne.«
    »Nein.«
    »Dann gibt es auch kein Gedicht.«
    »Ich will Ihnen etwas vorlesen, Alakar.
Ich habe etwas geschrieben. Aber ich glaube, es ist Kitsch. Leider kein Gedicht.
Vielleicht ein Märchen. Ich dachte, Märchen sind harmlos. Und ich konnte es nur
so. Ein Gerüst, das ist es, was ich brauche.«
    »Haben Sie es dabei?«
    »Natürlich.«
    »Gut, Verna, dann kommen Sie. Hier ist
es zu naß. Dann fahren wir jetzt nach Hause.«
     
    Verna Albrecht hatte ihn am Ausgang von
Tele-Fun erwischt. Wäre er nur eine Minute schneller gewesen — aber nun tutete
schon die Fähre, die letzte Fähre nach Hause. Frierend stand sie an der Reling
und starrte ausdruckslos ins Wasser. Wie hatte ihm so ein Fehler unterlaufen
können? Er konnte sein Angebot nicht zurücknehmen, aber sie mußte auf dem Sofa
schlafen. Nein, er würde auf dem Sofa schlafen. Alakar hoffte, sie würde keine
Anstalten mehr machen. Wie das klang — nach Irrenhaus. Mit ihrem hartnäckigen
Mund sah Verna wieder wie ihre Halbschwester aus.
    Es ist entsetzlich. Aber es ist wahr.
Kein Irrtum möglich. Und es wird noch schrecklicher werden. Wahrscheinlich
hatte er mit Doris Knöchel ein Kind gemacht. Es fühlte sich so an. So, als ob
in der Nacht in ihrem Loft ein Teil von ihm fortgegangen und etwas Neues daraus
entstanden wäre. Er und nicht er, jemand, der jetzt schon anders war als Doris.
Seine Ahnungen hatten ihn selten getäuscht. Eine zukünftige Dichterin. Doris’
Tochter, Verna Albrechts Nichte. Durch das Kind wären sie beinah verwandt. Auch
wenn Verna es nie erfahren würde.
    Es ging immer weiter, alles ging
weiter, es hörte nicht auf. Verna Albrechts Nichte würde auch keinen Vater
haben, aber einen Collie, den ihr Vater ihr schenken würde. Sie sollte wie
Timmy in Lassie sein und an Heidelbeeren glauben. Für irgend etwas mußte sich
das Fernsehen doch gelohnt haben. Statt eines Vaters würde sein Kind doppelte
Dichtergene im Blut haben. Gute, alte, europäische Dichtergene, die aus nichts
nichts machten. Das war der Unterschied zwischen Europa und Amerika. Drüben
machten sie alles aus allem. Hier war es nur eine Quälerei.
    Mit ihren zusammengebissenen Zähnen sah
Verna zum Fürchten aus, und er fürchtete, daß sie sich fürchtete.
    »Es ist keine Hinrichtung«, sagte er.
»Sie lesen mir doch nur etwas vor.«
    »Ich fürchte aber«, sagte sie, »es ist
eine Geschichte über Izzy.«
    »Alle Geschichten sind Geschichten über
Izzy. Meine Gedichte handeln auch von ihm. Wer ohne Schuld ist, der werfe den
ersten Stein.«
    »Wußten Sie, daß ich Japanisch und
Chinesisch studiert habe? Bei Dao kenne ich im Original.«
    »Ist es besser als die Übersetzung?«
    »Nein, es gibt nur den einen Satz. Ich
lebe in

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