Die Endlichkeit des Lichts
hören«,
sagte Vera Albert, »das war nämlich meine Frage!«
»Ich würde es auch lieber nicht hören«,
sagte Alakar, »nur bleibt Wahrheit Wahrheit, und im Fall der Systemorientierung
von Brainonia stimmen Wahrheit und Wirklichkeit zufällig überein. Anders
als im Fall der Quarks. Möglicherweise!«
»Dritte Frage«, sagte Verna hilflos,
»aber bitte, Alakar, halten Sie sich jetzt ein Weilchen zurück.« Ein Weilchen,
wie hübsch das klang. Und nun kümmere ich mich den ganzen Tag um meinen
Körper, dieses Wickelkind, sang Anne Sexton, seine Fracht ist
zerbrochen. Auch hübsch, dachte Verna. Weiter konnte sie nicht denken.
Weder an Kavo noch an Manasse, der mit ihr zusammen zugrunde gehen würde.
Höchstens an Alice, die sich über die Show amüsiert und alles über Flavours
gewußt hätte, wäre sie nicht kurz nach dem Amsterdamer Ausflug auf der Flucht
vor ihrer Mutter von einer Kommode gefallen. Mit dem Hinterkopf aufgekommen.
Auf einem gußeisernen Stiefelknecht. Der in einem ungünstigen Winkel neben der
Tür wartete. Auf ihren Schädel. Auf den Aufprall. Auf seine Aufgabe. Nutzlos,
wie er sonst war. Es war ein Erbstück. Niemand trug in diesem Haushalt Stiefel.
Nein, dachte Verna, jetzt nicht.
»Nächste Frage«, sagte sie lächelnd,
als Alices Schädel auf das Eisen krachte. »Wem haben wir den Namen Quarks für
die Elementarteilchen zu verdanken, Vera?«
»Dem Physiker Murray Gell-Mann vom
kalifornischen Technologie-Institut!« antwortete Vera böse, ihre ganze Person
in gelben, unverbrüchlichen Haß getaucht, der sich eigentümlicherweise über Verna
ergoß, nicht über Alakar.
»Korrekt!« sagte Verna erleichtert.
»Nein!« sagte Alakar Macody.
Nein? Dann nicht. Als der Kandidat sich
ein Stück wegbewegte, vollzog ein Bein die Bewegung nach, nur eine Spur
gekünstelt. Hinter diesem Bein aber lag das wahre Bein, gesprungen an beiden
Enden, und hinter dem Bein Alices Kopf, der zerbrochen war, als ihre Mutter
Alice endlich doch noch den Kopf vom Boden aufhob.
»Nein!« sagte Alakar wieder. Er drehte
durch, eine Frage der Einsiedelei, Tränen stachen Verna in den Augenwinkeln,
Tränen voller Abwehr, die eine Spur in den Boden fraßen. Ein roter, roter Boden
mit einer schwarzen Spur.
»Leider ist das nicht ganz richtig,
Vera«, sagte Alakar, »denn Gell-Mann hat den Namen nur bei Joyce entliehen.
James Joyce, three quarks for...«
»Bitte, seien Sie still, Alakar«, sagte
Verna, »ich glaube Ihnen ja. Vermutlich haben Sie recht. Aber ich glaube nicht,
daß Ihr Recht etwas ist, das Vera an diesem Abend gern verteidigt sehen würde.«
»Du liebe Güte, wirklich nicht«, sagte
Vera Albert und wartete, auch Alakar Macody wartete, Izzy, der seine Hand nach
ihr ausstreckte und sagte: Verna, ich warte auf dich. Vor dem Bett, bevor sie
ihren BH öffnete, nur damit er Minuten später über den Dalai Lama reden konnte,
über Wege zum Gleichgewicht, damit sie den BH wieder zumachte.
»Und wer ist überhaupt James Joyce«,
sagte Vera Albrecht aufgebracht, »spielen wir hier Domino, oder unterhalten wir
uns über Physik? James Joyce hat Romane geschrieben, die weder Sie noch ich
verstehen, selbst wenn wir es wollten. Natürlich wollen wir es nicht. Denn wer
ist James Joyce? Murray Gell-Mann dagegen ist ein Physiker, der den Namen...«
»Möglicherweise war die Frage nicht
präzise formuliert«, sagte Verna, aber Alakar schüttelte den Kopf, bis sie das
unbestimmte Gefühl hatte, ihn verraten zu haben.
»Diese Frage war nicht präzise
formuliert«, sagte Vera Albert. Aus den Schäften ihrer Schuhe quoll Fleisch.
»Wenn wir über Literatur reden müssen, gut, reden wir über Literatur! Nur wußte
ich nicht, daß Pilzsammler irgend etwas mit dem Wort Literatur verbinden. Außer
vielleicht gewisse illustrierte Tier- und Pflanzenführer für daheim und
unterwegs!«
Als Verna zu weinen begann, haltlos und
so, daß es eher ein Gelächter war, fuhr Manasse geistesgegenwärtig die Reklame
ab. Ein glitzernder Mercedes sauste über die Studiomonitore, seine Lackierung
so metallisch und blau wie der Himmel.
Nach Alakar Macodys mutigem Auftritt
bei Brainonia steigerte sich seine Berühmtheit beträchtlich. Zwischen
Verna, Manasse und einem Salade Niçoise versuchte er, sich unsichtbar zu
machen. Aber das Personal der Edelpizzeria begrüßte ihn wie einen alten Freund.
Immer noch bediente der Kellner, den er von den Abenden mit Doris Knöchel
kannte. Alakar fragte sich, ob das schneeweiße Haar, das in der Mitte
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