Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Sturmgewehr um den Hals und mit Butchs tatkräftiger Unterstützung schaffte er den Aufstieg in Rekordzeit, so dass den Nachzüglern noch stolze sechs Minuten blieben, als sie die Tür zur obersten Ebene aufschlugen. Kaum erschien Kim in Sichtweite erfuhr Johnny eine wundersame Heilung, verlangte nach seinem Gewehr und konnte plötzlich völlig eigenständig einen Fuß vor den anderen setzen.
»Der Pick-up säuft ständig ab!«, rief ihnen seine Freundin entgegen, die mit ihrer Gruppe schon fleißig die Ladung des Kleintransporters auf die Humvees verteilte. Die Zeitangabe des Einschlusses war nicht auf die Minute genau, daher wollte Angel kein Risiko mehr eingehen. Schweren Herzens entschied sie, Matthews Wagen in den Tiefen des Stützpunkts zurückzulassen. Trotz des mühsamen Aufstiegs bestand Butch darauf, sich selbst hinters Steuer zu setzen und hetzte die moderige, zweispurige Asphaltstraße hinauf. Kim starrte apathisch auf die roten Reflektoren des vorausfahrenden Humvees und folgte ihm wie in einer Trance. Angel rechnete jeden Moment mit einer Warnung des Basiscomputers, dass die Tore geschlossen wurden, doch nach all den Misserfolgen der vergangenen Tage war ihnen das Glück zum ersten Mal freundlich gesinnt. Die schweren Geländewagen sprangen heulend aus der steilen Auffahrt hinaus, wie Delfine, die sich aus dem Wasser herauskatapultieren. Erst als sie die halbrunde Betonbunkerschleuse passiert hatten, nahm Butch den Fuß vom Gaspedal und stellte erleichtert den Motor ab.
Die Morgendämmerung empfing sie mit dem traumhaften Duft sauberer Luft. Tiefe Atemzüge zeugten davon, dass sich niemand dem Zauber der Natur entziehen konnte. Auf den Bunkerdächern zwitscherten Vögel in ihren Nestern und begrüßten lautstark den neuen Tag, eine Libelle setzte sich auf die warme Motorhaube – doch plötzlich zuckte Cassidy ein wohlbekannter Schock durch die Glieder und ließ sie nach ihrem Gewehr greifen. Ein schwarzer Wolf war aus den Büschen herausgetreten und starrte die Eindringlinge mit funkelnden Augen an. Sofort stieg Angel an das Fünfziger, aber bevor sie das Feuer eröffnen konnte, war die bewiesenermaßen hochintelligente Bestie bereits verschwunden. Eine unheimliche Stille legte sich über die beiden Humvees, die Vögel waren verstummt und die Libelle davongeflogen. Als auf einmal die Sirene des Forschungskomplexes ertönte und sich die Schleuse zu schließen begann, hätte Angel beinahe vor Schreck den Auslöser betätigt. Unruhig musterte sie die Umgebung und rechnete instinktiv mit einer Falle. Victor klemmte sich hinter das Geschütz des zweiten Geländewagens und beäugte misstrauisch die wildwuchernde Bepflanzung der Anlage. Mit einem dumpfen Schlag prallten die im Boden verankerten Bunkertore aufeinander. Apathisch starrte das ganze Team auf die massive, graue Betonschleuse. Erst jetzt wurde ihnen bewusst, wie knapp sie der Hölle entronnen waren.
»Leb wohl, Jason«, flüsterte Sharon. Ihre Tränen sammelten sich zwischen Augen und Brillengläsern, so dass sie kaum etwas erkennen konnte. Sie hatte ihre zarten Finger durch die Sichtschlitze der seitlichen Metallverkleidung gesteckt, als versuchte sie, nach ihrem Freund zu greifen. Nachdem Angel den Abmarschbefehl erteilt hatte und die Humvees den Stützpunktausgang passierten, kauerte sie sich auf dem Rücksitz zusammen und ließ ihren Tränen leise freien Lauf.
11 - Nemesis
Erst kurz vor Mittag und nach der Rückkehr zu den bekannten Zwillingshügeln war Angel davon überzeugt in Sicherheit zu sein und ließ Butch für eine Rast anhalten. Die ganze Fahrt über hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Im Stillen versuchte jeder für sich, die Geschehnisse der vergangenen Nacht zu verarbeiten. Der gemeinsame Marsch durch die dunkle Hölle stand dem ungleichen Team deutlich ins Gesicht geschrieben.
Butch kletterte mit seinem Bruder auf einen Felsen abseits der Straße, wo sie flüsternd den Verlust ihrer Kameraden diskutierten. Die beiden hatten schon vor der Gründung von Silver Valley die Steppe mit Monroe und seinen Rangern durchstreift und waren entsprechend abgehärtet, aber der grausame Tod ihrer langjährigen Freunde lastete dennoch schwer auf ihrem Gemüt. Kim suchte Trost in Johnnys Armen, der zusammen mit Jason in Jaguar Bay aufgewachsen war. Trotz seines melancholischen Charakters war er, genau wie Matthew, einer von ihnen gewesen. Tagelange Einsätze unter widrigsten Bedingungen ließen persönliche Macken schnell zu
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