Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
werden. Insgeheim hoffte sie sogar, hier in Alexandria mit Jesse zur Schule gehen zu dürfen. Außerdem sehnte sie sich nach ihrem Schäferhund Scott, den sie im Kloster zurücklassen musste. Auf der anderen Seite ging ihr das menschenverachtende Morden von Sienna nicht aus dem Kopf. Noch immer wachte sie nachts mit dem Bild von Jasmins eingeschlagenem Schädel vor Augen auf. Jade konnte ihr hundertmal erzählen, dass die Legion daran schuld war. Sie hatte den Befehl dazu erteilt und versuchte nicht mal zu leugnen, dass sie jederzeit wieder mit ähnlich drakonischen Maßnahmen vorgehen würde, sollte es die Situation erfordern. Die Bacchae kannten sogar einen zynisch klingenden Namen dafür: die Stasis.
»Was erwartest du im Gegenzug von Jade?«, fragte sie vorsichtig.
»Cor Syrte. Die südlichen Wastelands. Alles davon.«
»Oh-ho-ho!«, frohlockte Dog. »Eric ist ja sowas von im Arsch!«
»Und du glaubst, dass die da zustimmen?«, wunderte sich Cassidy.
»Warum nicht?«, erwiderte Angel. Sie zuckte mit den Schultern und stahl ein Fleischbällchen von Dogs Silberplatte. Mampfend fuhr sie fort: »So wie es zurzeit aussieht interessiert sich niemand im Imperium für unsere Heimat. Torus wünscht sich wahrscheinlich, dass er nie bei uns eingefallen wäre. Wenn wir die Vultures für sie aus dem Weg räumen, steht uns danach gefälligst deren Territorium zu.«
»Aber hat General Monroe das nicht jahrelang versucht?«, konterte Cassidy kleinlaut.
»Die Kleine hat nicht unrecht«, stimmte ihr Dog zu. »Wenn das so leicht gehen würde, hättet ihr nicht erst auf Jade und ihre Kampflesben warten müssen.«
Angel verschluckte sich bei der sexuellen Anspielung und brauchte einen Moment, ehe sie eine Antwort hervorbrachte. »Ihr ... habt sie doch gehört«, keuchte sie hervor. »Munition- und Waffenlieferungen der Bacchae, Flankenschutz von den Prätorianern. Die werden uns mit Sicherheit nicht als Schocktruppen einsetzen wollen. Zum Verheizen sind wir zu wertvoll.«
»Glaubst du, die wissen von der Ölquelle?«, flüsterte Dog, als hätte er Angst, abgehört zu werden. Nach den Erfahrungen mit Amy in der Biosphäre konnte ihm das niemand verdenken.
»Nach einer zweiwöchigen Allianz? So dämlich ist Eric auch wieder nicht.«
»Verstehe«, antwortete Dog mit einem Kopfnicken. Er blickte zu Cassidy herüber und fügte knurrend hinzu: »Sie hat einen Plan!«
»Du willst die Sicarii doch nicht immer noch angreifen, oder?«
Angel seufzte einmal kräftig, wischte sich den Mund am Tischtuch ab und ging zu den großen Panoramafenstern, von wo aus man halb Alexandria in der untergehenden Abendsonne betrachten konnte.
»Ich greife keine Stadt voller Kinder an, Cassidy.« Sie klang etwas enttäuscht, dass ihre Schülerin ihr eine solche Tat zu unterstellen wagte. »Und selbst wenn ... wer würde mir dabei helfen?« Sie drehte sich zum Tisch um und zeigte auf Dog. »Nicht mal er würde sowas fertigbringen!«
Der Hüne hatte inzwischen mehr als die Hälfte seiner Fleischplatte geschafft und grinste Cassidy schadenfroh an. Die unzähligen Nahrungsreste zwischen seinen Zähnen ließen sie dabei angewidert das Gesicht verziehen. Sie flüchtete vom Tisch und gesellte sich zu Angel.
»Ich frage mich, was die Eltern zu der Zwangsverschleppung ihrer Kinder gesagt haben«, überlegte Dog. »Bei uns war das Gezeter immer groß.«
»Wir wollten sie auch nicht ins Internat stecken«, frischte Angel seine Erinnerungen auf.
»Na schön«, murrte Dog. »Was hast du mit meiner Ölquelle vor?«
»Deiner Quelle?«
»Mag ja sein, dass ich bisher mit dir auf einer Linie lag, aber wenn es um das Vultureterritorium geht, hab ich ein Wörtchen mitzureden!«
Auf Angels Gesicht erschien bei seinen Worten ein Sonnenschein. Sie hatte bereits befürchtet, dass Dog nach all den Demütigungen der Geduldsfaden reißen könnte. Stattdessen schien er jedoch langsam zu verstehen, wie er seine Karten am besten ausspielen musste, um am Ende als triumphierender Sieger dazustehen.
»Nachdem was Scarlet mir erzählt hat, ist das Imperium in Stadtstaaten aufgeteilt. Jede größere Stadt kontrolliert eine Provinz wie Arnac, Persephone oder Alexandria. Das System ähnelt den Freien Enklaven. Das Gewicht einer Provinz im Senat bestimmt sich daraus, wie sehr sie das Imperium unterstützt. Rohstoffe spielen dabei eine wichtige Rolle und Erics Ölquelle könnte uns einigen Einfluss verschaffen. Aber ...« Angel hob den Zeigefinger und sah sowohl Cassidy als auch
Weitere Kostenlose Bücher