Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
unterwürfigen Blick, als sie den Hünen sprachlos erlebte.
»Das ... ja ... also ...«, stammelte er, bis Angel ihn lautstark zu sich rief. »Wie ist dein Name?«
»Clarissa-Tamara, aber jeder nennt mich C.T., Herr.«
»Also dann ... vielen Dank C.T.«, sagte Dog, nachdem er seine Fassung zurückgewonnen hatte. Er verbeugte sich sogar, woraufhin die Arbiterin beschämt knickste, ehe er die Tür mit seiner Fleischplatte in der Hand hinter sich schloss und ins Wohnzimmer zurückkehrte.
»Das werdet ihr nicht glauben!«, rief er den beiden entgegen und stellte das Essen auf den Couchtisch aus Glas.
Cassidy war schon von der Obstschale überwältigt gewesen, doch nun liefen ihr erst recht die Augen über. Angel hingegen zeigte keine Hemmungen und griff umgehend nach einem gegrillten Würstchen. Natürlich mit einer Gabel, die sie im Besteckkorb der Küche gefunden hatte.
»Finger weg!«, knurrte Dog und schlug andeutungsweise nach ihrer Hand.
»Das schaffst du doch nie allein!«
»Wart‘s ab! In letzter Zeit gab‘s viel zu oft nur Hundefutter!«, erwiderte er fleißig mampfend. »Können wir uns hier nicht endlich zur Ruhe setzen?«
»Und was wird aus deinen Racheplänen?«, nuschelte sie zurück.
»Die hast du doch eh schon begraben.«
Angel kaute eine Weile auf ihrem Essen herum, bevor sie in Gedanken eine Antwort formulierte. Dog hatte nicht ganz unrecht. Ihr Verlangen nach Rache beim Exodus aus Silver Valley war längst der strategischen Langzeitplanung zum Schutz ihrer Leute gewichen. Als sie von Monroe das Schachspiel überreicht bekommen hatte und anschließend mit ansehen musste, wie sich der General selbst opferte, hielt sie die Sicarii noch für eine Gang wie jede andere. Besser organisiert, aber immer noch eine Gang, die sie mit ihrer Erfahrung bekämpfen konnte – und wollte. Sie hatte sich auf einen Krieg ohne unnütze Regeln gefreut, in dem sie nach Belieben Jagd auf einen verachtungswürdigen Gegner machen durfte.
Während sie sich den Bauch vollschlugen, betrachtete Angel das luxuriöse Quartier aus den Augenwinkeln und dachte lange über ihre Lage nach. Als sie Jade zum ersten Mal vom Sicariianischen Imperium reden hörte, musste sie sich zusammenreißen, um nicht spöttisch loszulachen. Doch Jade hatte nicht übertrieben. Tausende gut versorgter Kinder in Alexandria waren der Beweis für das enorme Potential und Durchsetzungsvermögen der Sicarii. In ein paar Jahren würden viele davon gut ausgebildet, motiviert und indoktriniert ihr Werk fortsetzen. Die zahlenmäßig weit überlegene Legion hatte sie bereits selbst in Aktion erlebt. Auch wenn dort die derzeit größte Schwäche des Imperiums lag, würde es nicht genügen, um Angel mit ihren wenigen Rangern einen Sieg zu ermöglichen. Außerdem hatte ihr Zusammentreffen mit Scarlet gezeigt, wie fragil ihre momentane Sicherheit in Wirklichkeit war. Angel war genau wie ihre Kameraden in Johnnys Gefangenenlager und in den Bergen vom Wohlwollen der Bacchae abhängig. Sie zweifelte nicht einen Moment lang daran, dass sowohl Jade als auch Scarlet trotz ihrer augenblicklichen Probleme dafür sorgen könnten, dass die Legion ihr Werk vollendete. Oder schlimmer, dass die Vultures von ihrem Zufluchtsort Wind bekämen. Und sie zweifelte noch viel weniger daran, dass beide es tun würden, sobald die Ranger ihren Wert für die Bacchae verloren.
»Wir werden ihnen helfen«, entschied sie kurz und knapp, ohne von ihrem Teller aufzusehen.
»Das hat ja nicht lange gedauert«, murrte Dog.
»Aber wir werden sie teuer dafür bezahlen lassen«, fügte Angel entschlossen hinzu.
Erst jetzt blickte sie hoch und starrte aus gutem Grund ausschließlich Cassidy an. Dog waren die Verluste der Ranger und Vultures völlig egal. Sein Blutrausch nach Rache war inzwischen der Erkenntnis gewichen, dass sein halbes Team aus nicht-Vultures bestanden hatte. Caiden als Cassidys Bruder, Faith als Bacchae, Mitch, der ohnehin nie zu den brutalen Schlägern seiner Gang gehören wollte. Ihm blieben nur noch Angel und die Hoffnung, an ihrer Seite am Ende irgendwie als Sieger hervorzugehen.
Cassidy hingegen wirkte unschlüssig. Ihr waren die blutigen Verluste sehr nahe gegangen. Seit sie Faiths verräterisches Tattoo entdeckt und sich entschieden hatte, darüber Stillschweigen zu bewahren, führte sie ein inneres Duell gegen sich selbst. Auf der einen Seite wollte sie, dass der Krieg endete und sie wieder mit ihrem Bruder zusammen sein konnte, ohne permanent beschossen zu
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