Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Fluchtwagen und die Millionen, die irgendwo herausspringen sollen. Ihr werdet schon sehen, wo ihr mit eurem Heimlichgetue landet. Ihr werdet schon sehen. Dass ich mit Feger, Wischlappen, Eimer zum Bootshaus der Lövgrens spaziert bin, alleine, weil ihr euch allesamt zu fein seid zum Putzen und Feudeln, ich es aber der Pia Lövgren versprochen habe, im Bootshaus einen Osterputz hinzulegen. Ich habe es nicht gern gemacht und immer wieder verschoben, wer kriecht schon freiwillig durch den Staub von Jahren, aber ich wurde belohnt. Die Kiste, über die ihr ständig tuschelt, sie lag wie ein Osterei im Tauwerk versteckt, und jetzt ist sie mein. Ich habe sie bis hoch vor den Brennholzschuppen geschleppt, ein weiter Weg, aber jetzt ruht sie sicher im Räucherofen, der seit dem Weltkrieg keine Heringe mehr gesehen hat, nur Schnecken, Spinnen, Gewürm.
– Au! Myrbäck schrie auf. Was machst du da! Er stieß seinen Kopf nach vorn und hielt sich das Ohr.
– Oh, das tut mir leid, sagte sie und trat erschrocken einen Schritt zurück. Auf Knuts Ohrläppchen funkelte ein Tropfen Blut. Wenn du auch ständig mit dem Kopf wippst.
Verwirrt sah er in Richtung des Hauses. Jetzt hörte auch sie, dass ein Auto sich näherte. Dem Klang des Motors nach war es ein Kleinlaster, der Pick-up der Nachbarn vielleicht. In der Stille lernt man schnell, Geräusche zu unterscheiden.
Ein Wohnmobil tauchte hinter den Birkenstämmen der Landstraße auf, passierte den Gartenzaun, bog in die Auffahrt und rollte, fast ohne Gas, auf sie zu. Knirschend kam es im Kies zum Stehen.
In die Irre gefahren, dachte sie, wieder mal ein paar blöde Touristen ohne Karte unterwegs. Weil sie sich einbilden, auf einer Insel könne man sich nicht verfahren, da gehe es sowieso nur im Kreis.
– Oh. Myrbäck stöhnte kurz auf.
– Kennst du die etwa?, fragte sie.
– Ja. Ich weiß nicht. Fast stotterte er. Er sprang auf, warf sein Frisiertuch ab und ging auf das Wohnmobil zu. Dessen hintere Tür öffnete sich, zwei kleine Mädchen hüpften auf den Rasen, eine Frau mit langen blonden Haaren sprang hinterher. Auch der Fahrer stieg aus. Alle hatten sie vom langen Autofahren in der Wärme rote Bäckchen bekommen.
– Knut! Ich glaub’s nicht! Sven Classen breitete die Arme aus. Hier sind wir! Ferien! Urlaub! Freizeit!
– Wie hast du mich gefunden?, fragte Myrbäck.
Knut könnte wenigstens so tun, dachte Heidi, als freue er sich über den Besuch dieser Familie.
– Machst du Witze, rief der Mann. Wir sind Geo-Researcher. Wir finden alles, was einen Schatten wirft. Er lachte über seinen eigenen Witz. Er trug Shorts und ein gestreiftes Hemd.
Myrbäck grinste verlegen.
– Ja, hast du meine Anrufe nicht abgehört?, fragte der Mann, den er ihnen jetzt als Sven Classen vorstellte: Ex-Kollege aus Hamburg. Töchter Merle und Mieke. Frau Carla. Sie stand neben ihm und hob lüftend ihr zitronengelbes Baumwollkleid.
– Ich geh schon lang nicht mehr ans Telefon. Myrbäck schüttelte den Kopf. Aber seid willkommen.
– Ein paar Tage wollten wir schon bleiben. Wer nach Schweden fährt, hat man uns gesagt, darf nicht an den Schären vorbei. So ungefähr wusste ich ja, wo du steckst. Der Rest war Zufall.
Keiner sagte etwas. Nach kurzer Pause sprach er weiter:
– Viel Platz brauchen wir nicht. Unser Haus haben wir ja mit. Er zeigte auf sein Wohnmobil.
Und instinktiv erahnend, dass Myrbäck nicht der Richtige war, um nach Einzelheiten der Unterbringung und Verpflegung zu fragen, hefteten sich die Augen des Mannes auf Heidi.
Ist doch klar, wer soll es denn sonst sein, wenn Sassie sich ans Wasser verdrückt und Jan auf seiner Liege klebt wie ein morscher Apfel und Knut den Gang der Welt mal wieder nicht begreift, dann ist es Heidi, die sich kümmert. Bin ich es, die Waschmaschine und Wasserpumpe erklärt, die sich fragt, wie vier zusätzliche Mäuler gestopft werden können, und sich sorgt, ja, mit einem Schlag begreift, dass das Zweikammersystem des Fäkalientanks ein paar Sommerwochen lang mit Ach und Krach und dem Verdauten von vier Leuten klarkommen mag, aber keinesfalls mit der Dauerbelagerung einer Reisegruppe. Wann also fliegt uns der ganze Scheiß um die Ohren?
IV
A uf den Knien, mit einem weithin hörbaren Ächzen wuchtete Knut Giovanni Myrbäck die Zementscheibe von ihrem Fleck und blickte in den Schlund eines Fäkalientanks. Eine schwärzliche Flüssigkeit, in der Fetzen von Toilettenpapier trieben und braune Würstchen, stand wenige Handbreit unter der
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