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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Unterarme rinnen. Ihre betäubten Hände wischte sie an ihrer Hose trocken.
    Sie steuerte einen freien Stuhl neben dem Fernseher an, abseits der Männer. Es war der Schnurrbart, der gerade sprach:
    – Zehn Minuten Wickelzeit haben sie in Trångsund, neun in Skogås, sechs sind es in Länna. Das heißt: Alukästen an den Gürtel klicken, Sicherheitsgerät scharf schalten, die Türen des Transporters öffnen sich etappenweise. Raus aus dem Wagen, im Laufschritt zur Schleuse und das Ganze wieder zurück. Von Länna aus brauchen sie hundertsechzig Sekunden bis zur Autobahnunterführung. In Vega empfangen wir sie.
    – Woher weißt du das alles?, fragte Myrbäck. Die Zeiten, die Abläufe?
    – Beobachtung. Observation, antwortete der Schnurr bart, was glaubst du? Wir haben die Fahrtrouten, wir haben die Kennzeichen, die Überwachungskameras. Wir haben ihre Routinen, alles. Wir haben jeden Furz registriert, den die Kofferträger ließen. Über Wochen.
    Das wird Poffe sein, dachte Sassie. Pontus Dahlin. Er trug einen Brillanten im Ohrläppchen. Ein Kerl mit breitem Oberkörper und sonnengebräunten Unterarmen, nur auf Baustellen schwillt man zu solchen Muskelkästen an, überlegte sie. Poffe: Ehemaliger Boxmeister, Rohheitsdelikte und räuberische Erpressung. Myrbäck hatte, als er ihr von ihm erzählte, angewidert das Gesicht verzogen: Er hat bei Großmüttern geklingelt, sie überfallen und ihnen damit gedroht, das Haus anzuzünden. Oder zu kassieren.
    – Dies ist kein Tournee-Job. Wieder hatte Tjock-Aku das Wort ergriffen. Tournee-Jobs sind für Verlierer. Die Bullen reiben sich die Hände, wenn zwanzig Leute mitmachen, irgendwann quatscht immer jemand. Das Hubschrauberding haben sie total verhauen. Am Ende haben die Bullen sie von der Stange gezogen wie vom Schaschlik, einen nach dem anderen.
    Sie erinnerte sich gut. Der spektakulärste Raubüberfall der schwedischen Geschichte. Zehn bis fünfzehn maskierte Männer. Im Morgengrauen waren sie mit dem gestohlenen Hubschrauber auf dem Dach eines Bargelddepots in Västberga gelandet. Zerschlugen die Glaskuppel, stiegen über eine Leiter in das siebte Stockwerk ein. Sprengten sich durch Schleusen und Türen, knackten Stahlkäfige und sammelten ein, was an Geldsäcken so herumlag, während die Angestellten der Frühschicht sich im Tresorraum verbarrikadierten.
    Am Ende zog die Bande mit vierzig Millionen im Gepäck ab. Ihr Hubschrauber sammelte sie wieder vom Dach auf, und vor dem Gebäude staunten die Bullen und rissen ihre verschlafenen Augen auf, machtlos gegen das, was sich über ihren Köpfen tat. Sie hatte all dies gebannt im Frühstücksfernsehen verfolgt.
    – Clever durchgezogen, sagte Aku. Schnell. Professionell. Aber. Einen Überfall kann jeder Schwachkopf durchziehen. Das wahre Problem ist die Flucht. Für sie braucht es Experten. Disziplin.
    – Eine echt gute Shownummer, stimmte Forss ein, aber im Abgang schal. Die Schlaumeier hatten nicht bedacht, wie schwer Bargeld wiegt. Nur die Hälfte der Geldsäcke schafften sie aufs Dach.
    – Es musste in die Hose gehen, sagte Poffe, der Schnurrbart. Halb Belgrad war beteiligt. Alles nur Juggen. Rote Barette. Paramilitärs. Verschworene Banden, sollte man denken. Aber nein. Wochenlang hatten sie nach einem Piloten mit militärischer Spezialausbildung gesucht, Tiefflüge, Nachtflüge. Solche Piloten stehen nicht an der Straßenecke herum. Ein ehemaliger serbischer Polizeipilot hat sie am Ende alle auffliegen lassen.
    – Sie hätten gleich ihre Suchanzeigen an alle Ampeln Stockholms kleben können. Tjock-Aku stimmte in die Besserwisserei ein.
    – Ja, die Bullen wussten vorher Bescheid. Wochenlang hörten sie jeden ab, der ein ic im Nachnamen hat. Als nichts passierte, hörten sie auf. Zwei Wochen zu früh. Die Bullen sind einfach blöd.
    Der Überfall, seine Organisation, faszinierte die Männer. Auf einmal hatte jeder von ihnen Geistvolles beizutragen. Sie fuhren einander ins Wort, so aufgeregt waren sie. Wie bei einem Fußballspiel. Nur Holzapfel hielt still. Wahrscheinlich verstand er wieder kein Wort.
    – Uns wird keiner rankriegen, sagte Poffe. Wir sind keine Juggen.
    – Waren nicht auch Araber beteiligt?, fragte Aku vorsichtig.
    – Araber oder Albaner? Montenegriner, Serben, Kroaten, Kosovaren? Das weiß bei denen selber kein Mensch, auch wenn sie es immer behaupten, meinte Forss. Alles Juggen.
    – Jugge bleibt Jugge. Poffe legte nach, und sechs Männer lachten.
    Sassie rechnete nach. Ein Finne: Tjock-Aku.

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