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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Aramid verstärkten Unterboden, aber locker. Es ist gefährlich, hatte Poffe wieder und wieder eingewandt, am Ende dann doch eingesehen, dass es zu spät war für eine neue Sprengstoffsuche.
    Jukki trat vor sie. Der Kaninchentöter sah ihr kurz in die Augen. Sie wich beiseite. Er hob sein Gewehr und schoss eine Salve, diesmal gegen die Frontscheibe.
    Sie sah sich die beiden Geldboten durch die letzte unversehrte Scheibe an: Ein älterer Mann mit Mütze, der mit beiden Händen das Steuer umklammerte und gefasster wirkte als sein jüngerer Kollege. Ein Stoppelhaariger mit sehr blasser Haut, aber das mochte von der Angst kommen. Er sah sie einmal kurz und neugierig an. Sie lächelte ihn an, um ihn zu beruhigen, aber er konnte ihr Gesicht hinter der Maske ja nicht sehen. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, dachte sie.
    Wieder schoss Jukki.
    Die Mundwinkel des Jüngeren zuckten, und es sah aus, als würde er gleich weinen müssen. Bitte, bitte nicht, dachte sie. Hinter den Köpfen der Fahrer zog auf einmal schwarzer Rauch in die Kabine. Die Explosion hatte die Trennwand beschädigt, und der Abzug half wohl auch nicht mehr. Sie sah, wie die beiden wild miteinander sprachen und hilflos versuchten, den dichter werdenden Rauch mit ihren Armen wegzufächern. Ein paar Sekunden später stießen sie ihre Türen auf.
    Kaum war der jüngere der Fahrer herausgesprungen, kippte Juhani sein Gewehr nach vorn und schoss. Der Mann schrie auf und sackte auf der Stelle zu Boden. Er lehnte gegen den Vorderreifen und griff mit beiden Händen nach seinem linken Schuh. Zwei Löcher klafften im Oberleder. An ihren Rändern sickerte Blut hervor. Die Haut des Jungen war jetzt weiß wie ein Stück Papier.
    – Man muss ein Huhn schlachten, um eine Horde Affen zu erschrecken, sagte Juhani. Er sagte es leise, mit einem seltsamen Singsang, und sie wusste, dass sie seine Worte als Einzige hatte hören können.
    Der junge Geldfahrer lag weinend vor dem Reifen des Wagens. Sein älterer Kollege sprang ihm zu Hilfe und beugte sich über ihm. Juhani riss ihn an seiner Uniformjacke hoch und warf ihn gegen den Transporter. Seine Dienstmütze flog durch die Luft.
    – Wir können nicht, sagte er schluchzend. Die Tür ist blockiert, sobald wir Alarm geben. Da hilft uns kein Schlüssel mehr. Eine Träne hing an seiner Nasenspitze herab. Am liebsten hätte Sassie sie ihm dort weggestrichen.
    Juhani stieß ihn vor die Brust. Der Mann stolperte über die Beine seines Kollegen und fiel auf die Seite. Er rappelte sich auf und schleppte den verwundeten Kollegen ein Stück vom Wagen weg. Sie wollte ihm helfen, traute sich aber nicht. Niemand scherte sich noch um ihn. Alle Augen richteten sich auf Poffe. Der zog sich kurz seine Maske vom Gesicht, wischte Schweiß von Nase und Stirn. Der Brillant in seinem Ohrläppchen blitzte auf. Dann machte er sich erneut daran, unter den Wagen zu kriechen. Auf seinen zweiten Abstieg nahm er vier Aluminiumdosen mit sich. Diesmal war er wesentlich fixer, er schlitterte fast. Kaum war sein Oberkörper unter dem Wagen verschwunden, explodierte die Sprengladung.
    Ihr wurden die Beine weggerissen. Sie flog durch die Luft, den Kopf voran.

W ie anders waren die Pflichtbesuche beim Großvater zu ertragen?
    Knut Giovanni trat entschlossenen Schrittes durch die Schlacke des Sonntagnachmittags, tauchte hinein in das ewige Dämmerlicht des Flurs, ließ die Stimmen der Erwachsenen, das Kreischen seiner Kusinen hinter sich und blieb vor dem Bücherregal stehen, das im Schatten der riesigen Garderobe mit ihren Quasten ein düsteres Dasein fristete. Aus dem unteren Regal wuchtete er die geliebten Monumentalwerke hervor:
    Die Wüste lebt.
    Der Erste Weltkrieg.
    Ihr Format war beeindruckend, ihr Gewicht kolossal, doch die Bücher belohnten die Anstrengungen des jungen Lesers mit bunten Bildern von Beutelrattenmüttern im Kampf gegen Klapperschlangen, von Skorpionen beim Hochzeitstanz. Von jungen Männern, die verrenkt in Erdgräben lagen und ihre Gewehre dem unsichtbaren Feind noch in der Todesstarre entgegenreckten. Von Soldaten, die an der Böschung eines Hohlwegs in Deckung gehen, bereit für einen letzten Angriff?
    Von unheimlicher Faszination waren die Fotos aus dem Feldlazarett: Hier blickten Schwerverwundete mit lippenlosem Grinsen in die Kamera, dass man nicht glauben mochte, sie hätten gerade eben erst, schnippschnapp, ein Bein, einen Arm, einen Fuß abgeschnitten bekommen. Grobkörnige Schwarzweißbilder, auf denen er schwarze

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