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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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auf.
    Entschlossen legte Jan den Gang um, ließ den Wagen nach vorne schießen und stieg in die Bremsen. Hilflos rutschte der Mann von der Motorhaube und stürzte in den Schneematsch.
    – Das schockt, Alter!, rief Holzapfel.
    Der Alarm des Gurtwarners setzte ein. Sein tiefer Ton erinnerte Myrbäck an das Tuten, wie man es an nebligen Tagen am Hamburger Elbufer hören konnte. Erst als sie sich am Gamla Landsvägen in den Morgenverkehr auf der Autobahn einfädelten, fanden sie die Ruhe sich anzuschnallen.
    – Hast du kein schlechtes Gewissen?, fragte Myrbäck.
    – Doch, antwortete Holzapfel nach einigem Grübeln. Aber was soll man machen?
    Sobald Holzapfel Angst bekam, brach ihm der Schweiß aus, man konnte sich in seiner glänzenden Nase spiegeln. So war es jetzt auch.
    Sie hatten die Gebäude der Universität hinter sich gelassen, auch das Naturkundemuseum, dessen 3-D-Kino er neulich mit Ed besucht hatte. »Die Kosmische Reise«, doch seinem Sohn war unter dem künstlichen Firmament schwindlig geworden. Sie hatten eben die Marskrater überflogen, da mussten sie schon an die frische Luft eilen.
    Als sie am Sveaplan in den zähen Verkehr in Richtung Innenstadt einsickerten, sah Myrbäck einen Augenblick lang ihr Spiegelbild in den Scheiben eines Restaurants. Klein und unbedeutend sah er sich auf dem Beifahrersitz eines großen Autos sitzen.
    – Quält dich manchmal der Gedanke, dass wir irgendwann zahlen müssen?, fragte er.
    – Wofür?
    – Na, für den ganzen Scheiß, den wir so anstellen.
    – Doch. Aber was soll man machen?
    Als sie über die Stocksundbrücke rollten, fragte Myrbäck schon wieder:
    – Wie wird es im Himmel der Diebe und Kleptomanen zugehen?
    – Es werden geordnete Verhältnisse herrschen.
    – Wie meinst du das?
    – Alles wird allen gehören. Da lohnt es nicht, andere zu bestehlen.
    – Ist das eine Strafe oder ein Segen?
    – Müssen wir mal abwarten.
    – Und wenn wir in unserer Hölle landen?
    – Dann sind wir im Vorteil. Denn wir kennen uns schon ein bisschen aus. Nach einer Pause fragte Holzapfel:
    – Hast du unser Nummernschild gesehen?
    – Nein. Ist mir auch egal.
    Er hantierte eifrig an der Mittelkonsole herum. Wie von Geisterhand öffnete sich eine CD-Sammlung. Er zog eine der Scheiben heraus und las vor: Loituma Ievan Polkka. Kun Mun Kultani Tulisi.
    Seltsames Zeugs, sagte Jan.
    Myrbäck war zu träge zu antworten. Oder nach dem Schalter für die Sitzheizung zu suchen. Sein Hintern kochte.
    Sie kamen nur im Schritttempo voran. Bald würden die Besatzungen weiß-gelb-blauer Polizeifunkwagen nach ihnen Ausschau halten. Myrbäck wies Holzapfel an, vom sechsspurigen Valhallavägen abzubiegen und sie durch die schmalen Wohnstraßen Östermalms in Richtung Westen zu chauffieren.
    – Was hast du eigentlich mit der Kiste gemacht?, fragte Jan.
    – Versteckt. Gut versteckt. Du wirst sie nicht finden.
    Er mochte nicht länger von der Kiste hören noch über sie reden. Sie war die Ursache all seines Elends. Man hatte sie erschreckend schnell aufgespürt, tausend Kilometer von daheim. Sein Sohn war entführt worden, konnte es eine deutlichere Warnung geben?
    Ja, ich habe den Mann schon früher mal gesehen. Ed hatte zögernd geantwortet, als Myrbäck ihn am Abend noch einmal zu den Geschehnissen des Tages befragte. Wann hast du ihn gesehen? – Irgendwann. – Wo? In Hamburg? – Ja. Ich glaube.
    Mehr war aus ihm nicht herauszuholen. Es war unheimlich. Und jetzt rollten sie in einem gestohlenen Wagen mit tausenden von Frühpendlern durch die Innenstadt Stockholms, unter einer dunkelgrauen Wolkendecke war es langsam hell geworden, und sie würden einen metallicschwarzen Dodge Ram 1500 Laramie an den Mann bringen müssen. Fast begrüßte er das Jucken, mit dem seine Kopfhaut sich meldete. Der Kopfschmerz immerhin war verschwunden.

W as tust du, wenn du nicht schlafen kannst?
    Myrbäck stand in der Tür. Er trug einen Pyjama, der ihm an den Ärmeln zu lang war und im Deckenlicht der Küche flaschenpostgrün glänzte. Er setzte sich zu ihr an den Tisch.
    – Dann bin ich wach, antwortete sie. Sie sah ihn fragend an. Du hast all deinen Mut zusammengenommen, dir eine halbgute Frage zurechtgelegt, dachte sie, und bist zu mir in die Küche.
    – Wie lange hast du noch?, fragte er jetzt. Er deutete auf das schwarze Band an ihrem Bein.
    – Neunzehn Tage. Das Buch, in dem sie gelesen hatte, schlug sie zu. Sie hatte jetzt ein Gegenüber.
    – Und du? Fliegst nach Hamburg zurück?
    – Mit dem Zug.

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