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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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durch den Flur in ihr Zimmer und knotete ihren Bademantel zu. Als sie die Tür zum Balkon öffnete, stand Myrbäck schon hinter ihr.
    – Saukalt, meinte er.
    – Klar, im Pyjama. Sie standen neben dem Kaninchenstall und sahen auf die menschenleere Straße.
    Die Kaninchen machten keinen Mucks. Sie fragte sich, ob die beiden Tiere bei den Frosttemperaturen überleben würden. Die Luft, die von den Hügelketten im Inland zu ihnen strömte, brachte in den Nächten Eiseskälte. Am Nachmittag war eine Kaltfront über ihnen hinweggezogen. Als sie die Kantine verlassen hatte, lag Schnee wie feiner Staub auf den Rasenflächen vor der Schule.
    – Woher kommst du?, fragte Myrbäck.
    Sie überlegte kurz, bevor sie sagte:
    – Was antwortet man auf solche Fragen?
    – Wie wär’s mit der Wahrheit? Trotz der Temperaturen krempelte er die Ärmel seines Pyjamas hoch.
    – Also gut. Meine Eltern konnten nicht miteinander, aber zwei Kinder bekamen sie trotzdem. Meine Mutter war ein Hippie. Sie kiffte. Sie stellte dumme Sachen an. Mein Vater war ein Ofensetzer aus Ljusne, ein Landbursche aus dem Norden, nett anzusehen, aber nichts in der Birne. Er säuft, sonst erträgt er die Kälte da oben nicht, hat er immer gesagt. Im Süden hat er dann noch mehr gesoffen. Sie haben ein paar Mal gebumst, und das war es dann. Meine Mutter hielt mich und meine Schwester von meinem Vater fern. Eines Tages ist sie mit uns nach Kopenhagen. Und ist dann irgendwann verschwunden.
    – Verschwunden?
    – Ja, einfach so.
    Sie hatte keine Lust, ihr Leben auf einem zugigen Balkon auszubreiten. Vor einem Fremden. Und Myrbäck wollte mehr wissen, das sah sie seinen weit offenen Augen an. Aber er begriff.
    – Warum liegt auf allen Autos Raureif, fragte er, nur auf dem einen nicht?
    Er deutete auf die Reihe eingeparkter Wagen vor dem Haus. Zwischen ihnen stand ein Wagen, ein Kleinbus, dessen Dach, Motorhaube und Frontscheibe die kaltfeuchte Luft nichts anzuhaben schien.
    – Weil der Wagen noch nicht ausgekühlt ist?, schlug sie vor. Ein knutschendes Pärchen vielleicht?
    – Ist er schwarz? Oder dunkelgrün?, fragte Myrbäck. Er rückte ein Stück näher an sie heran.
    – Das ist mir wurst. Erklär mir mal, wie man ein Auto knackt.
    Er lächelte breit. Er freute sich über ihre Frage, es war deutlich zu sehen.
    – Mit purer Gewalt. Du steckst eine schwere Eisenstange durchs Lenkrad und hebelst, bis es laut knackt und sich die Lenkung bewegen lässt. Wenn das nicht hilft: vom Beifahrersitz aus kräftig gegen die Lenkradspeichen treten.
    – Und dann?
    – Um den Motor kurzzuschließen, musst du an der Rückseite des Zündschlosses an die Kabel gelangen. Indem du die Armaturenbrettverkleidung abreißt oder vom Lenkrad löst. Wenn du Zeit hast, montierst du die Verkleidungsteile in Ruhe ab. Taschenmesser und Schraubenzieher reichen da völlig. Nun hast du die Kabel. Zuerst das dicke rote durchschneiden. Dann im Uhrzeigersinn das übernächste. Diese beiden losen Kabel verbindest du miteinander.
    Nicht dass sie wirklich verstanden hatte, was er ihr da erzählte, aber sie mochte, wie er gestenreich seine Worte begleitete, hier oben in der Nacht. Ihr gefiel das Ernsthafte seiner Ansprache. Es machte sie zu seiner Komplizin.
    – Dazu musst du ein Stück der Kabelisolierung abkratzen und die Metalllitzen miteinander verdrehen. Wenn jetzt ein paar Lämpchen am Armaturenbrett aufleuchten, und das sollten sie, nimmst du dir das übernächste Kabel, kratzt sein Metall frei und hältst es an die beiden, die du schon verbunden hast. Jetzt startet der Motor.
    Nach einer Pause sagte er:
    – Manchmal ist das dicke rote Kabel auch ein dickes braunes Kabel. Verbindest du die falschen Kabel miteinander, kann das Auto abbrennen. Kurzschließen ist nichts für Farbenblinde. Es geht auch nur mit wertlosen Schrottkisten. Die guten alten Zeiten sind vorbei.
    – Es kann aber nicht schwieriger sein, eine elektronische Fußfessel zu knacken, oder?
    – Ich müsste es mir noch mal anschauen. Er sah sie erwartungsfroh an.
    Nix da, dachte sie. Sie war zu müde für weitere Fragen und Antworten. Sie fror, sie wollte schlafen.
    In der Küche trank sie ein Glas Wasser. Myrbäck stand neben ihr. Er sah seine Hände an und zog die Linien der einen Handfläche mit dem Zeigefinger der anderen nach.
    Als sich ihre Wege im dunklen Flur trennten, erkannte sie gerade noch seine Umrisse, aber sie bildete sich ein, er wolle noch etwas Wichtiges, etwas Unaufschiebbares fragen. Natürlich traute er

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