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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
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Restaurantküche hier, sagte Myrbäck. Piekfein. Appetitlich.
    – Wo wart ihr?, wollte Holzapfel wissen. Sein Ton war aggressiv.
    – Spazieren. Bis hoch zum Näsudden. Wir sind der Nachbarin begegnet. Hinterm Haus stand ein Typ in der Landschaft herum.
    – Und? Was hat er angestellt?
    – Nichts. Aber es schadet wohl nichts, die Augen offen zu halten. Vielleicht kommt ja mal jemand mit einem Angebot für unser Kästchen vorbei. Myrbäck tat sein Bestes, sarkastisch zu klingen.
    Holzapfel antwortete mit einem Schütteln der Pfanne über der Herdplatte. Der Geruch gebratener Faluwurst stieg in Myrbäcks Nase. Er stand noch eine Weile hinter Holzapfel, dann ging auch er über die Treppe nach oben.
    Die Tür zu Sassies Zimmer war angelehnt. Er sah sie nicht, als er eintrat, aber er hörte, wie sie hinter der Tür zum Nebenzimmer mit dem Schürhaken im Kachelofen herumstocherte. Er ging zum Fenster. Eine Handvoll Muscheln und Steine lag auf der Fensterbank, ein Feldstecher in einem angestoßenen Lederfutteral.
    Er blickte auf das dunkelgraue Wasser der Bucht und auf den Kaninchenkäfig, den Malin gebastelt und mit Jans Hilfe auf grobe Vierkanthölzer gebockt hatte. Er setzte sich auf ein altes Sofa mit hoher Rückenlehne, über dessen fadenscheinigen Bezug ein Laken gespannt war. Der Wasserspiegel der Tymarsbucht warf die letzten Sonnenstrahlen an die Zimmerdecke, in lichten Kringeln tanzte es über seinem Kopf.
    Von unten hörte er das Knallen einer Schranktür, das Klappern von Töpfen im Spülbecken. Küchenmeister Holzapfel, der seine häuslichen Obliegenheiten mit Widerwillen erledigte.
    Was erlebt Sassie Linné in ihren Zimmern, wenn sie alleine ist?, fragte er sich. Auf einer Kommode standen gerahmte Fotografien. Er hatte sie sich schon angesehen. Ihre kleine Schwester. Ein Bild ihrer Mutter. Sassie als Kind vor einem Kirchturm, dessen Spitze sich wie ein Schneckengehäuse in den blauen Himmel schraubte. Neben der Kommode lagen leere Wasserflaschen, Strümpfe, Bücher. Nichts, was etwas über sie verraten hätte.
    Im Sitzen beugte er sich vor das Regal neben dem Sofa. Seekarten und ein paar blassrote Ausgaben des Baedeker standen dort, im unteren Regal ein Koffer, wie Kinder ihn mit sich schleppten, wenn sie Reise spielten. Er war aus Karton und mit rotkariertem Stoff bezogen und war voll mit kleinen, vergilbten Papiertütchen, in denen Schmetterlinge steckten, deren Falter spröde und zerbrechlich aussahen. Sie lagen schon ewig in ihren Pergamenthüllen, das sah er, sie hatten ihre Farbe an die vielen Jahre verloren. Er ließ die dünnen Blechschlösser des Koffers einschnappen, als er ein Geräusch hinter sich hörte.
    Sassie stand nackt im Raum. Sie sah ihn erschrocken an.
    Er lächelte verlegen. Sie hat mich nicht gehört, dachte er.
    Mit herabhängenden Armen stand sie dort. Die Knöchel ihrer Finger, ihre Handgelenke waren rußgeschwärzt. Sie sahen einander in die Augen, bis Myrbäck es nicht mehr aushielt.
    – Geh doch mal, sagte er leise.
    – Warum?
    – Ich möchte dich gehen sehen.
    – Und wenn ich nicht will?
    Er glaubte aus ihrer Stimme zu hören, dass sie ihm wohlgesinnt war. Ihr Widerstreben war gespielt.
    – Bitte, sagte er.
    Sie zögerte. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die letzten fehlenden Schritte machte sie schnell.
    Sie ist völlig nackt, dachte er, fassungslos. Wie mutig.
    Direkt vor ihm kam sie zum Stehen. Er hob seine Hand und strich über das feine Haar auf ihrem Bauch. Er berührte die kleine Höhle des Nabels. Das hellbraune Muttermal in ihrer Leiste. Das dunkle, krause Haar, das sich anschloss. Er ging in die Knie. Er lehnte seine Stirn gegen eine Stelle direkt über diesen Haaren. Einige von ihnen spürte er an seiner Nasenspitze. Reglos verharrte er einige Sekunden. Er hob seine Hände und legte sie auf ihre Hüften.
    Kurz blickte er auf. Sie hielt ihr Gesicht zur Seite und hatte die Augen geschlossen.
    Er ließ seine Stirn ein kleines Stück über die weiche Haut ihres Bauches rutschen. Sie fühlte sich an wie warme Seide. Er wartete auf eine Geste, eine Bewegung von ihr, dann erst dürfte er sich weiterwagen. Einen Moment lang fürchtete er, dass dieser Moment ein nie wiedergutzumachendes Missverständnis war. Er machte sich lächerlich, hier zu knien, sein Gesicht so nah an ihrem Schoß.
    Da legte sie beide Hände auf seine Ohren, sacht. Sie zog ihn an sich. Sie drückte sich ihm entgegen.
    Sie will mich, dachte er. Sie will. Sie will.

B arfuß ging sie in

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