Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Versendaal
Vom Netzwerk:
bedeutungsvoll an.
    – Die Zukunft? Die kommt von selbst. Ich würde keinen Pfennig für sie zahlen.
    – Doch, würdest du. Diese Kiste fährt Auto. Ganz allein.
    – Ohne Fahrer?
    – Genau. Ganz für sich allein.
    Sie standen vor einem alten Fahnenmast, den jemand versucht hatte anzuzünden. In Bodenhöhe war er verkohlt, und bei einem der nächsten Stürme würde er brechen. Sie sagte: – Vielleicht seid ihr beide zu doof, die Gefahr zu begreifen, in der ihr steckt?
    – Ja, es fühlt sich hier wie Urlaub an, sagte er. Ferien. Wir machen Ausflüge. Wir liegen am Strand. Wir gucken in den Himmel, und der ist blau. Meistens. Ich weiß, das ist die Ruhe vor dem Sturm.
    Myrbäck erzählte. Vom Diebstahl des Audi, von seiner Bruchlandung in der Baugrube, seiner aufgebrochenen Wohnung, vom toten Raschke in den Trümmern der Werkstatt. Vom Finger in der Obstschale und der Ermordung ihres polnischen Kompagnons Zbigniew auf einem Acker vor den Toren Hamburgs. Von dem, was er nach und nach aus Holzapfel herausgepresst und sich selbst hinzugereimt hatte, bis er einsah, dass sie da tatsächlich auf einem Schatz saßen, für den es leider immer noch keine Kundschaft gab – aber warten, das konnte er ja nun wirklich. Was er verschwieg, weil es ihn am stärksten beunruhigte, war die Frau mit dem Pagenschnitt. War jener Fremde, der mehrere Dachböden im Heimdalsväg Nummer 12 aufgebrochen hatte. War die überraschende Nähe ihrer Verfolger.
    – Manchmal denke ich, dass ich Teil eines Schachspiels bin, ein Zug, ein Bauernopfer in einer von Holzapfels Partien. Ich werde auf dem Brett hin- und hergezogen, so kommt es mir manchmal vor.
    Ihr Weg verlief jetzt in der Nähe des Sundes, neben Bootsstegen und windgeblähten Segeln. Er sah die Gänsehaut auf Sassies Armen. Über ihrem Rock trug sie ein dunkelgrünes T-Shirt mit dem Logo von Seven Up. Er hatte es in der Kommode seines Zimmers gefunden und ihr überlassen. Es saß eng, und ihre Schulterblätter zeichneten sich ab.
    Als sie sich jetzt auf dem schmalen Pfad vor ihn schob, fand er, dass niemand schöner zu gehen wusste. Sie wandert wie ein Sonnenfleck zwischen Wolkenschatten, fand er, aufrecht, mit flatternden Schritten, eine Hand auf der Hüfte. Lässt sich am Gang eines Menschen sein Gemüt ablesen? Vielleicht. Mit der Fortbewegung kannte er sich schließlich aus, er mit seinem zu kurzen Bein und dem verkorksten Knochengerüst. Dort, wo das Becken mit der Wirbelsäule zusammenschließt, das hatte einer seiner vielen Ärzte ihm einmal erklärt, liegt sie, die regio sacralis im Menschen. Blödsinn, dachte er, und doch: Bei ihm war sie um ein Winziges verschoben, die Heilige Mitte.
    Vor einer Bootshütte kamen sie zum Stehen. Sie gehörte den Lövgrens, deren Vorväter einst große Teile der Insel samt weitverstreuter Wirtschaftsgebäude besessen hatten, so viel wusste Myrbäck. Das Haus stand windschief am Wasser und war verschlossen, der rote Anstrich von Regen und Wind zerfressen. Durch ein beschlagenes Fenster konnten sie auf Gar tenwerkzeug, Grillherd und aufgerolltes Tauwerk sehen. Als sie über einen Steinhaufen an die seewärtige Seite zu gelangen versuchten, bellte ein Hund hinter ihnen auf. Es war ein ausgewachsener Terrier. Er gehörte zu der Nachbarin, die ihnen am Tag ihrer Ankunft auf Lökskär den Schlüssel übergeben und sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde bis auf die Veranda des Lövgren ’ schen Hauses begleitet hatte. Jetzt trug sie ein schwarz-grün kariertes Kopftuch und redete beruhigend auf ihren Hund ein.
    – Wir stehen hier am südlichen Ende der Bucht, sagte sie im Ton einer Fremdenführerin. Von hier aus seht ihr die Strände von Stora Sand. Ihr Arm deutete auf eine Reihe flacher ockerfarbener Streifen auf der gegenüberliegenden Seite des Wassers.
    – Sieht wild romantisch aus, meinte Myrbäck, um etwas zu sagen.
    – Ja, und dahinter liegen die Hügel von Sillviksbergen, sagte die Frau. Dort ist es noch spannender.
    Verstohlen blickte Sassie ihn hinter dem Rücken der Frau an. Dann fragte sie:
    – Was gibt’s denn da drüben? In Sillviksbergen?
    – Brachliegendes Militärgelände. Birkenhaine und durchlöcherte Hausattrappen. Das Militär war größter Arbeitgeber auf der Insel, doch vor fünf Jahren wurden die Einheiten abgezogen. Schussübungen veranstalten sie da drüben nicht mehr. Alle paar Monate kommt die Polizei aus Stockholm und trainiert ihre Drogenhunde. Und manchmal kommen welche aus der Stadt, die es wissen

Weitere Kostenlose Bücher