Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
und nickte nur hin und wieder, um ihm zu signalisieren, dass er folgen konnte. Mit keiner Regung verriet er, was er dachte. Immer lauter hörte er das Echo von Vaters Stimme: Zeig niemals Schwäche.
Als Buhrman gegangen war, packte er weiter. Ihm blieb nur eins übrig. Damals war er schwach gewesen. Er hatte sich vom Bösen besiegen lassen. Percy zog den Reißverschluss seiner Reisetasche zu und setzte sich aufs Bett. Er starrte vor sich hin. Sein Leben war zerstört. Nichts bedeutete ihm mehr etwas. Doch er würde nie wieder Schwäche zeigen.
Fjällbacka 1939
A m Frühstückstisch betrachtete Laura ihren Mann. Sie waren seit einem Jahr verheiratet. Am Tag ihres achtzehnten Geburtstags hatte sie Sigvards Antrag angenommen, nur einen Monat später fand im Rahmen einer stillen Zeremonie im Garten die Trauung statt. Sigvard war zu diesem Zeitpunkt dreiundfünfzig Jahre alt und hätte ihr Vater sein können. Dafür war er reich, und somit würde sie nie wieder Angst vor der Zukunft haben müssen. Kühl und sachlich hatte sie eine Liste mit den Pro- und Kontra-Argumenten geschrieben. Die positiven Dinge überwogen. Liebe war etwas für Narren. Ein Luxus, den sich Frauen in ihrer Situation nicht leisten konnten.
»Die Deutschen sind in Polen einmarschiert«, sagte Sigvard aufgeregt. »Das ist erst der Anfang.«
»Politik interessiert mich nicht.«
Laura schmierte sich ein halbes Butterbrot. Mehr wagte sie nicht zu essen. Ständiger Hunger war der Preis, den sie bezahlen musste, um perfekt zu sein. Manchmal wurde ihr schlagartig bewusst, wie absurd das war. Sie hatte Sigvard geheiratet, um sich nie wieder Sorgen machen zu müssen, was es am nächsten Tag zu essen gab. Trotzdem hungerte sie noch genauso oft wie in ihrer Kindheit, als Dagmar ihr Geld lieber für Schnaps ausgegeben hatte.
Sigvard lachte. »Hier wird dein Vater auch erwähnt.«
Sie warf ihm einen eisigen Blick zu. Sie konnte einiges aushalten, hatte ihn aber schon mehrfach gebeten, nichts zu erwähnen, was mit ihrer geisteskranken Mutter zusammenhing. Sie brauchte nicht an die Vergangenheit erinnert zu werden. Dagmar war sicher in der St. Jörgens Klinik aufgehoben, und wenn Laura Glück hatte, würde sie dort den Rest ihres traurigen Lebens verbringen.
»Die Bemerkung war vollkommen überflüssig«, sagte sie.
»Verzeih mir, Liebling, aber dafür musst du dich doch nicht schämen. Im Gegenteil. Dieser Göring ist doch ein Günstling Hitlers und Chef der Luftwaffe. Gar nicht übel.« Sigvard nickte nachdenklich und versenkte sich wieder in die Zeitungslektüre.
Laura seufzte. Sie interessierte sich nicht für das Thema und wollte nie wieder etwas von diesem Göring hören. Jahrelang hatte sie sich Mutters krankhafte Phantasien anhören müssen, und nun berichteten auch noch dauernd die Zeitungen über diesen engen Freund Hitlers. Mein Gott, aber was kümmerte es die Schweden, wenn die Deutschen in Polen einmarschierten?
»Ich würde gern im Salon umräumen. Darf ich?«, fragte sie mit ihrer sanftesten Stimme. Erst vor kurzem hatte sie das Zimmer renovieren lassen. Es war hübsch geworden, aber noch nicht perfekt. Wie der Salon in ihrem Puppenhaus. Das feine Sofa, das sie gekauft hatte, passte nicht richtig dazu, und die Prismen des Kronleuchters glitzerten nicht so hübsch wie erwartet.
»Du machst mich arm.« Sigvard sah sie verliebt an. »Tu, was du willst, mein Herz. Hauptsache, du bist glücklich.«
W enn Sie nichts dagegen haben, kommt Anna auch.« Erica sah Ebba vorsichtig an. In dem Moment, als sie ihre Schwester einlud, war ihr klargeworden, dass das vielleicht keine so gute Idee war, aber Anna hatte sich angehört, als ob sie Gesellschaft gebrauchen könnte.
»Überhaupt kein Problem«, sagte Ebba lächelnd, die immer noch müde aussah.
»Was haben Ihre Eltern gesagt? Patrik war es ein wenig peinlich, dass sie auf diese Weise von dem Brand und den Schüssen erfahren haben, aber er dachte, Sie hätten ihnen davon erzählt.«
»Das wäre wohl besser gewesen, aber ich habe es vor mir hergeschoben. Ich weiß, wie besorgt sie immer sind. Sie hätten gewollt, dass wir aufgeben und zurückkommen.«
»Haben Sie denn nicht darüber nachgedacht?« Erica schob Lotta aus der Krachmacherstraße in den DVD -Player. Die Zwillinge waren nach dem Besuch bei Gösta vollkommen erschöpft eingeschlafen, und Maja wartete auf dem Sofa darauf, dass der Film anfing.
Ebba überlegte eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf. »Wir können nicht wieder nach
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