Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
Ebba war unser erstes und einziges Pflegekind. Sie blieb bei uns, und später haben wir sie adoptiert. Bevor die Adoption rechtskräftig war, hat Berit nachts kein Auge zugetan. Sie hatte panische Angst, sie könnte uns weggenommen werden.«
»Wie war sie als Kind?«, fragte Patrik, vor allem aus Neugier. Irgendetwas sagte ihm, dass die Ebba, die er gesehen hatte, nur ein blasser Abklatsch ihres eigentlichen Ichs war.
»Sie war ein Wirbelwind, das kann ich Ihnen sagen!«
»Ebba? O ja.« Berit kam mit der Kaffeekanne auf die Veranda. »Das Mädchen hatte jede Menge Unfug im Kopf, aber sie war immer so gut gelaunt, dass man ihr nie richtig böse sein konnte.«
»Das hat es uns noch schwerer gemacht«, sagte Sture. »Wir haben nicht nur Vincent, sondern auch Ebba verloren. Ein großer Teil von ihr schien mit ihm gestorben zu sein. Bei Mårten ist es genauso. Er hatte immer schon leichte Stimmungsschwankungen und war phasenweise deprimiert, aber vor Vincents Tod ging es den beiden gut zusammen. Jetzt … weiß ich es nicht mehr. Anfangs konnten sie es kaum zusammen in einem Raum aushalten, und nun hocken sie auf einer Schäreninsel. Wie sollen wir uns da keine Sorgen machen?«
»Haben Sie eine Vermutung, wer das Feuer gelegt oder gestern auf Ebba geschossen haben könnte?«, fragte Patrik.
Berit und Sture starrten ihn wie versteinert an.
»Hat Ebba Ihnen nichts davon gesagt?« Er warf Paula einen Blick zu. Auf den Gedanken, Ebbas Eltern könnten nicht wissen, was ihrer Tochter zugestoßen war, wäre er nicht gekommen. Sonst hätte er die Frage etwas vorsichtiger formuliert.
»Sie hat uns nur von dem Blut erzählt«, sagte Sture.
Patrik suchte noch immer nach den richtigen Worten, um die Ereignisse auf Valö zu beschreiben, als Paula ihm zuvorkam. Ruhig und sachlich berichtete sie von dem Brand und den Schüssen.
Berit hielt sich an der Tischkante fest. »Ich verstehe nicht, warum sie uns nichts davon erzählt hat.«
»Sie wollte uns nicht beunruhigen«, sagte Sture, wirkte jedoch genauso erregt wie seine Frau.
»Warum bleiben sie bloß da draußen? Das ist doch Wahnsinn! Sie müssen dort weg. Sture, wir fahren sofort hin und reden mit ihnen.«
»Sie scheinen entschlossen zu sein, dort zu bleiben«, sagte Patrik. »Aber im Moment ist Ebba bei uns. Mårten hat sich allerdings geweigert, die Insel zu verlassen.«
»Ist er noch bei Trost?«, fragte Berit. »Jetzt fahren wir hin. Auf der Stelle.« Sie sprang auf, doch Sture drückte sie mit sanfter Gewalt wieder auf den Stuhl.
»Wir sollten nicht übereilt handeln, sondern Ebba anrufen und sie selbst fragen. Du weißt, wie stur die beiden manchmal sind. Es bringt doch nichts, wenn wir Streit anfangen.«
Berit schüttelte den Kopf, machte aber keine Anstalten mehr, aufzustehen.
»Können Sie sich vorstellen, warum jemand den beiden das antut?« Paula rutschte von einer Pobacke auf die andere. Sogar dieses phantastische Möbelstück wurde irgendwann unbequem.
»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Berit mit Nachdruck. »Sie haben ein vollkommen normales Leben geführt. Und warum sollte ihnen jemand noch mehr Leid zufügen? Sie haben doch schon genug Schicksalsschläge erlebt.«
»Hängt es vielleicht mit dem Verschwinden von Ebbas Familie zusammen?«, fragte Sture. »Vielleicht befürchtet jemand, dass irgendetwas ans Licht kommt.«
»Das vermuten wir auch, aber momentan wissen wir noch nicht viel und halten uns daher eher mit Äußerungen zurück«, sagte Patrik. »Ein Rätsel geben uns die Karten auf, die Ebba von einer Person namens ›G‹ bekommen hat.«
»Ja, das ist ein bisschen seltsam«, sagte Sture. »Diese Karten kamen zu jedem Geburtstag. Wir haben angenommen, dass sie von einem entfernten Verwandten stammen. Allerdings erschien uns die Sache harmlos, so dass wir sie auf sich beruhen ließen.«
»Gestern hat Ebba eine Karte erhalten, die nicht ganz so harmlos war.«
Ebbas Eltern sahen ihn verwundert an.
»Was stand drauf?« Sture stand auf und zog die Vorhänge ein Stück zu. Die Sonne schien kräftig auf den Tisch.
»Man könnte sagen, der Inhalt war aggressiv.«
»Dann war es das erste Mal. Glauben Sie, dass der Absender der Karten es auf Ebba und Mårten abgesehen hat?«
»Wir wissen es nicht, aber es wäre hilfreich, wenn wir uns eine Karte ansehen dürften.«
Sture schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir haben die Karten leider nicht aufbewahrt. Wenn wir sie Ebba gezeigt hatten, wanderten sie in den Müll. Sie waren nicht besonders
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