Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
du dir das Leben nehmen?« Leon betrachtete seinen alten Freund voller Zärtlichkeit. Hinter seiner arroganten Fassade war Percy so zart, und Leon hatte schon auf Valö gespürt, dass er jederzeit zerbrechen könnte. Es grenzte an ein Wunder, dass das nicht geschehen war. Dass es Percy nicht leichtfallen würde, mit den Erinnerungen zu leben, war vorherzusehen gewesen, aber vielleicht hatte er auch die Fähigkeit geerbt, zu verdrängen.
»Sebastian hat mir alles genommen. Und Pyttan hat mich verlassen. Ich habe mich zum Gespött gemacht.«
Sebastian breitete die Arme aus. »Na und? Außerdem verwendet dieses Wort heute kein Mensch mehr.«
Sie waren wie Kinder. Leon sah es jetzt ganz deutlich. Alle waren sie in ihrer Entwicklung stehengeblieben. Sie lebten immer noch in der Erinnerung. Verglichen mit ihnen konnte er sich glücklich schätzen. Er betrachtete die Männer und erkannte die Jungen, die sie einst gewesen waren. Und so seltsam es auch erscheinen mochte, er liebte sie. Gemeinsam hatten sie etwas erlebt, das sie von Grund auf verändert und geprägt hatte. Das Band zwischen ihnen war stark, es konnte niemals gekappt werden. Er hatte immer gewusst, dass er eines Tages zurückkehren und dieser Tag kommen würde, aber dass Ia dann an seiner Seite wäre, damit hatte er nicht gerechnet. Ihr Mut überraschte ihn. Vielleicht hatte er sie absichtlich unterschätzt, damit er sich nicht schuldig fühlen musste, weil sie ein noch größeres Opfer als alle anderen gebracht hatte.
Und warum hatte ausgerechnet Josef es gewagt, aufzustehen und die Polizisten zu begleiten? Leon glaubte die Antwort zu wissen. Schon als Josef den Raum betrat, konnte man ihm ansehen, dass er bereit war zu sterben. Diesen Blick kannte Leon gut. Er hatte ihn auf dem Mount Everest gesehen, als der Sturm über sie hinwegfegte, und in der Rettungsinsel, nachdem sie im Indischen Ozean gekentert waren. Es war der Blick eines Menschen, der sich vom Leben verabschiedet hatte.
»Da mache ich nicht mit.« John stand auf, strich seine Hose glatt und zog die Bügelfalten gerade. »Diese Farce dauert mir schon viel zu lange. Ich werde alles leugnen. Es gibt keine Beweise. Mit deinen ganzen Behauptungen sprichst du nur für dich.«
»John Holm?«, sagte eine Stimme an der Tür.
John drehte sich um.
»Bertil Mellberg. Sie haben mir gerade noch gefehlt. Was wollen Sie? Falls Sie im selben Ton wie letztes Mal mit mir reden, können Sie sich gleich an meinen Anwalt wenden.«
»Kein Kommentar.«
»Gut. Dann fahre ich jetzt nach Hause. Schön, Sie zu sehen.« John wollte zur Haustür gehen, aber Mellberg versperrte ihm den Weg. Hinter ihm standen nun drei Männer. Einer von ihnen hielt eine Kamera in die Höhe und machte ein Bild nach dem anderen.
»Folgen Sie mir«, sagte Mellberg.
John seufzte. »Was soll der Quatsch? Das ist reine Schikane. Ich verspreche Ihnen, das hat Konsequenzen.«
»Sie sind hiermit wegen Verabredung zum Mord verhaftet.« Mellberg grinste von einem Ohr zum anderen.
Leon beobachtete das Spektakel von seinem Rollstuhl aus, und auch Percy und Sebastian verfolgten gespannt das Geschehen. John war puterrot angelaufen und wollte sich an Mellberg vorbeidrängen, doch der drückte ihn an die Wand und legte ihm Handschellen an. Der Fotograf knipste weiter, und nun kamen auch die anderen beiden Männer näher.
»Die Polizei hat das von Schwedens Freunden so bezeichnete Projekt Gimle vereitelt. Was sagen Sie dazu?«, fragte der eine.
John bekam weiche Knie. Leon betrachtete ihn interessiert. Früher oder später wurden alle für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Plötzlich machte er sich Sorgen um Ia, schob den Gedanken aber beiseite. Es war ohnehin alles vorherbestimmt. Sie musste es tun, um die Schuld und die innere Leere loszuwerden, die sie dazu getrieben hatten, nur für ihn zu leben. Ihre Liebe zu ihm hatte an Besessenheit gegrenzt, aber er wusste, dass in ihr das gleiche Feuer brannte, das auch ihn zu immer neuen Herausforderungen getrieben hatte. Am Ende waren sie gemeinsam in Flammen aufgegangen. In dem Wagen an einem steilen Abhang in Monaco. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Sache gemeinsam zu Ende zu bringen. Er war stolz auf sie, er liebte sie und nun würde sie endlich nach Hause kommen. Heute würde alles ein Ende finden. Ein gutes Ende hoffentlich.
Langsam öffnete Mårten die Augen.
»Ich war so müde.«
Weder Erica noch Gösta antworteten. Auch Erica war auf einmal unendlich müde. Das Adrenalin in
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