Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
brauchten.
    Für Ebba war die Vergangenheit die ganze Zeit präsent. Die Geschichte des Hauses verbarg sich in seinen Wänden. Sie sah die vielen Kinder vor sich, die hier im Sommer ins Ferienheim gekommen waren, um die frische und gesunde Luft zu genießen, wie sie in einer alten Ausgabe des Fjällbacka-Bladet gelesen hatte. Das Haus hatte auch andere Eigentümer gehabt, nicht zuletzt ihren Vater, aber aus irgendeinem Grund dachte sie vor allem an die Kinder. Wie aufregend es gewesen sein musste, sich von den Eltern zu trennen und gemeinsam mit Kindern, die man nicht kannte, unter einem fremden Dach untergebracht zu werden. Sonnige Tage und das Baden im Salzwasser, Regeln und Vorschriften vermengt mit Spiel und Spaß. Sie hörte das Lachen und die Schreie. In einem Artikel hatte sie etwas von Kindesmisshandlung gelesen, und vielleicht war in Wirklichkeit alles nicht ganz so idyllisch gewesen. Manchmal fragte sie sich, ob die Schreie nur von den Ferienkindern stammten oder ob sich auch ihre eigenen Erinnerungen mit ihrem Gefühl von dem Haus vermischten. Irgendwie waren ihr die Laute erschreckend vertraut, aber sie war ja noch klein gewesen, als sie hier wohnte. Falls es wirklich Erinnerungen waren, konnten es nur die des Hauses und nicht ihre eigenen sein.
    »Meinst du, wir schaffen das?« Mårten stützte sich auf den Vorschlaghammer.
    Ebba war so tief in Gedanken versunken gewesen, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als sie seine Stimme hörte. Er wischte sich die Stirn mit seinem T-Shirt ab und sah sie an. Sie wich seinem direkten Blick aus und rackerte sich weiter an einer Diele ab, die sich einfach nicht vom Balken lösen wollte. Er hatte das gesagt, als ob es nur um die Renovierung ginge, aber ihr war klar, dass mehr hinter seiner Frage steckte. Sie wusste bloß keine Antwort darauf.
    Als sie stumm blieb, nahm Mårten den Hammer seufzend wieder auf. Jedes Mal, wenn er ihn auf den Boden donnerte, ächzte er vor Anstrengung. Vor seinen Füßen war bereits ein großes Loch entstanden. Er hob den Hammer noch einmal hoch. Dann ließ er ihn langsam sinken.
    »Was in Gottes Namen ist das denn? Guck mal, Ebba!« Er winkte sie heran.
    Ebba arbeitete beharrlich weiter, wurde aber gegen ihren Willen neugierig.
    »Was ist denn?« Sie stellte sich neben ihn.
    Mårten zeigte in das Loch. »Wonach sieht es denn aus?«
    Ebba ging in die Hocke und blickte nach unten. Sie runzelte die Stirn. Unter dem Fußboden zeigte sich ein großer dunkler Fleck. Teer, war ihr erster Gedanke. Dann wurde ihr klar, was es auch sein konnte.
    »Sieht aus wie Blut«, sagte sie. »Jede Menge Blut.«

Fjällbacka 1919
    D agmar war klug genug, um zu begreifen, dass sie nicht nur wegen ihrer Qualitäten als Kellnerin und ihres hübschen Gesichts auf den Festen der Reichen arbeiten durfte. Das Geflüster war nie besonders diskret. Die Gastgeber sorgten immer dafür, dass sich schnell herumsprach, wer sie war, und mittlerweile konnte sie die sensationslüsternen Blicke deuten.
    »Ihre Mutter … die Engelmacherin … wurde geköpft …« Die Worte schwirrten wie Mücken durch den Raum. Die Stiche schmerzten, aber sie lernte schnell, so zu tun, als hätte sie nichts gehört, und weiterzulächeln.
    Auf diesem Fest war es nicht anders. Wenn sie vorüberging, wurden die Köpfe zusammengesteckt und wissende Blicke ausgetauscht. Eine der Damen schlug sich vor Schreck die Hand vor den Mund und starrte Dagmar ungeniert an. Der deutsche Flieger nahm das Aufsehen, das sie erregte, anscheinend mit Erstaunen zur Kenntnis. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich zu seiner Tischdame hinüberbeugte. Die Frau flüsterte ihm etwas ins Ohr, und Dagmar erwartete mit klopfendem Herzen seine Reaktion. Zunächst veränderte sich der Blick des Deutschen, doch dann blitzte es in seinen Augen. Ruhig musterte er sie eine Weile, dann prostete er ihr zu. Sie lächelte zurück und fühlte ihr Herz noch schneller schlagen.
    Je später es wurde, desto höher stieg der Geräuschpegel an der großen Festtafel. Allmählich wurde es dunkel, und obwohl der Sommerabend noch lau war, zogen sich einige Gäste zum Weiterfeiern ins Haus zurück. Sjölins waren großzügig, und auch der Flieger schien bereits eine ganze Menge getrunken zu haben. Mit zitternden Fingern hatte Dagmar ihm mehrmals nachgeschenkt. Ihre eigene Reaktion überraschte sie. Sie war schon vielen Männern begegnet, und einige davon waren richtig schick gewesen. Manche wussten genau, was sie sagen und wie sie eine

Weitere Kostenlose Bücher