Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
sich mit großen Augen um.
Dagmar drehte sich zu Carin um. »Weshalb haben Sie denn keine Möbel? Wieso muss Hermann so leben?«
Carin runzelte einen Augenblick lang die Stirn, als wolle sie zum Ausdruck bringen, dass sie die Frage unpassend fand, doch dann antwortete sie ruhig:
»Wir haben es in letzter Zeit etwas schwer gehabt. Nun müssen Sie mir aber erzählen, wer Sie sind.«
Dagmar ging überhaupt nicht auf die Frage ein, sondern warf Frau Göring einen verärgerten Blick zu. »Schwer gehabt? Hermann ist doch reich. So kann er doch nicht leben.«
»Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe? Wenn Sie mir nicht erklären, wer Sie sind und was Sie hier wollen, bin ich bald gezwungen, die Polizei zu rufen. Aus Rücksicht auf die Kleine würde ich das lieber vermeiden.« Carin nickte Laura zu, die sich nun wieder hinter ihrer Mutter versteckte.
Dagmar riss sie am Arm und schubste sie auf Carin zu.
»Das ist die Tochter von mir und Hermann. Von nun an wird er mit uns zusammen sein. Sie haben ihn lange genug gehabt, er will Sie nicht mehr. Kapieren Sie das nicht?«
In Carin Görings Gesicht zuckte es, aber sie bewahrte die Ruhe, als sie Dagmar und Laura eine Weile schweigend musterte.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Hermann ist mein Mann, ich bin Frau Göring.«
»Aber mich liebt er. Ich bin seine große Liebe.« Dagmar stampfte mit dem Fuß auf. »Laura ist seine Tochter, aber Sie haben ihn mir weggenommen, bevor ich ihm von ihr erzählen konnte. Hätte er von seinem Kind gewusst, hätte er Sie niemals geheiratet. Und wenn Sie sich ein Bein ausgerissen hätten!«
In ihrem Kopf drehte sich alles vor Wut. Laura drückte sich an ihren Rücken.
»Sie sollten jetzt gehen, bevor ich die Polizei rufe.« Carin klang beherrscht, aber Dagmar sah die Angst in ihren Augen.
»Wo ist Hermann?«, fragte sie hartnäckig.
Carin zeigte auf die Wohnungstür. »Raus!« Ohne den Zeigefinger zu senken, ging sie entschieden zum Telefon. Das Klackern ihrer Absätze hallte durch die leere Wohnung.
Dagmar beruhigte sich ein wenig und dachte nach. Sie sah ein, dass Frau Göring ihr niemals verraten würde, wo ihr Mann war, aber nun hatte diese Frau immerhin die Wahrheit erfahren. Ein Gefühl von Befriedigung erfüllte Dagmar. Nun musste sie Hermann nur noch finden. Wenn sie dafür vor dem Haus übernachten musste, würde sie das geduldig auf sich nehmen, denn dann wären sie für immer zusammen. Sie packte Laura fest am Kragen und zog sie zur Tür. Bevor sie die Wohnung verließ, warf sie Carin Göring einen siegesgewissen Blick zu.
D anke, liebe Anna.« Erica drückte ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange und eilte zum Auto. Im Laufen winkte sie kurz ihren Kindern zu. Einen Anflug von schlechtem Gewissen schob sie beiseite, indem sie sich in Erinnerung rief, wie begeistert die drei bei Tante Annas Ankunft gejuchzt hatten. Sie konnten sich wirklich nicht beklagen.
Nachdenklich fuhr sie nach Hamburgsund. Es ärgerte sie, dass sie immer noch nicht mehr über das Verschwinden der Familie Elvander wusste. Sie steckte richtig fest und konnte sich den Fall ebenso wenig erklären wie die Polizei. Trotzdem gab sie nicht auf. Die Familiengeschichte war unheimlich faszinierend, und je länger sie sich in den Archiven vergrub, desto spannender wurde sie. Auf den Frauen in Ebbas Familie schien ein Fluch zu lasten.
Erica wischte die Gedanken an die Vergangenheit weg. Dank Gösta hatte sie endlich eine Spur entdeckt. Er hatte einen Namen genannt, und weitere Nachforschungen hatten dazu geführt, dass sie nun unterwegs zu einer der Personen war, die möglicherweise über eine wichtige Information verfügte. Das Recherchieren weit zurückliegender Fälle glich oft dem Zusammensetzen eines riesigen Puzzles, bei dem einige wichtige Teile von Anfang an fehlten. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass man einfach auf die verlorengegangenen Puzzleteile pfeifen musste, denn das Motiv wurde irgendwann auch so sichtbar. Für diesen Fall hatte das bis jetzt nicht gegolten, aber nun schöpfte sie wieder Hoffnung, dass ihre bisherige Arbeit nicht umsonst gewesen war.
Bei Hanssons Tankstelle hielt sie an, um nach dem Weg zu fragen. Sie wusste zwar ungefähr, wo sie hinmusste, wollte aber vermeiden, dass sie sich unnötig verfuhr. An der Kasse stand Magnus, der zusammen mit seiner Frau Agnes die Tankstelle betrieb. Außer seinem Bruder Frank und seiner Schwägerin Anette, die unten am Marktplatz einen Imbiss hatten, wusste niemand so viel
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