Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
sein.«
    »Und Runes Kinder?«, fuhr Erica fort. »Wie kamen die mit ihrem Vater und der Stiefmutter zurecht? Die Situation wird wahrscheinlich nicht ganz unkompliziert für Inez gewesen sein. Sie war doch kaum älter als ihr ältester Stiefsohn.«
    »Ein grässlicher Kerl, der viel Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte.«
    »Wer? Der älteste Sohn?«
    »Ja. Claes.«
    Er schwieg lange. Erica wartete geduldig.
    »An ihn erinnere ich mich am deutlichsten. Sobald ich an ihn denke, laufen mir kalte Schauer über den Rücken. Eigentlich weiß ich gar nicht, wieso. Er war mir gegenüber immer höflich, aber irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck führte dazu, dass ich ihm ungern den Rücken zukehrte.«
    »Verstanden er und Rune sich gut?«
    »Schwer zu sagen. Sie umkreisten einander wie Planeten, ohne jemals die Bahn des anderen zu kreuzen.« Liza lachte verschämt. »Ich höre mich an wie eine New-Age-Tante oder ein schlechter Dichter …«
    »Keine Sorge, ich habe schon verstanden.« Erica beugte sich vor. »Ich weiß, was Sie meinen. Es gab also nie Konflikte zwischen Rune und Claes?«
    »Nein, sie hielten sozusagen Abstand voneinander. Claes schien Rune aufs Wort zu gehorchen, aber was er wirklich über seinen Vater dachte, wusste vermutlich niemand. Eins hatten sie zumindest gemeinsam. Sie beteten Carla an – Runes verstorbene Ehefrau und die Mutter von Claes – und schienen beide Inez zu verachten. In Claes’ Fall ist das vielleicht verständlich, denn sie hatte den Platz seiner Mutter eingenommen, aber Rune hatte sie schließlich geheiratet.«
    »Rune hat Inez also schlecht behandelt?«
    »Ja. Liebevoll war die Beziehung jedenfalls nicht. Er erteilte ihr dauernd Befehle, als wäre sie nicht seine Frau, sondern seine Untergebene. Claes dagegen war richtig gemein und unverschämt zu seiner Stiefmutter. Für Ebba schien er auch nichts übrigzuhaben. Seine Schwester Annelie war nicht viel besser.«
    »Wie fand Rune das Verhalten seiner Kinder? Hat er sie dazu angestachelt?« Erica trank einen Schluck Wasser. Selbst unter dem großen Sonnenschirm war es auf der Veranda heiß.
    »In Runes Augen waren sie ohne Fehl und Tadel. Er schlug ihnen gegenüber zwar immer einen Kasernenhofton an, aber nur er durfte mit den Kindern schimpfen. Wenn sich jemand anders über sie beschwerte, rappelte es im Karton. Ich weiß, dass Inez es einmal versucht hat, aber das war ihr eine Lehre. Johan, der Kleinste, war der Einzige in der Familie, der lieb zu ihr war. Er war aufmerksam und nett und hing sehr an Inez.« Liza machte ein trauriges Gesicht. »Ich würde zu gern wissen, was aus der kleinen Ebba geworden ist.«
    »Sie ist nach Valö zurückgekehrt. Sie und ihr Mann renovieren gerade das Haus, und vorgestern …«
    Erica biss sich auf die Lippe. Sie wusste nicht genau, wie viel sie preisgeben sollte, aber Liza war ihr gegenüber auch offen gewesen. Sie holte tief Luft.
    »Vorgestern haben sie Blut unter den alten Dielen im Esszimmer entdeckt.«
    Liza und Walter starrten sie an. In der Ferne waren Boote und Menschen zu hören, aber auf der Veranda wurde es mucksmäuschenstill. Schließlich ergriff Walter das Wort:
    »Du hast doch immer gesagt, dass sie wahrscheinlich tot sind.«
    Liza nickte. »Das erschien mir am wahrscheinlichsten. Außerdem …«
    »Was?«
    »Ach, das ist lächerlich.« Er winkte so heftig ab, dass sein seidener Ärmel flatterte. »Ich habe es nie erwähnt.«
    »Nichts ist unbedeutend oder lächerlich. Erzählen Sie.«
    »Es war eigentlich nichts Besonderes, aber ich habe irgendwie geahnt, dass etwas schiefgehen würde. Und ich habe gehört …« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist albern.«
    »Sprechen Sie weiter.« Erica unterdrückte den Impuls, sich über den Tisch zu lehnen und Liza zu schütteln.
    Liza nahm einen großen Schluck Rosé und sah ihr ins Gesicht.
    »In der Nacht waren Geräusche zu hören.«
    »Geräusche?«
    »Ja. Schritte, Türen, eine Stimme von weit her, aber wenn ich aufstand und nachsah, war nie jemand da.«
    »Als ob es gespukt hätte?«, fragte Erica.
    »Ich glaube nicht an Gespenster«, antwortete Liza ernst. »Ich kann nur sagen, dass ich Geräusche gehört habe und den Eindruck hatte, dass bald etwas Schreckliches passieren würde. Daher hat mich das Verschwinden der Familie nicht gewundert.«
    Walter nickte. »Du hast schon immer einen sechsten Sinn gehabt.«
    »Was rede ich eigentlich für einen Stuss?« Das Glitzern kehrte in Lizas Augen zurück, und sie strahlte Erica an.

Weitere Kostenlose Bücher