Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)
»Was soll diese gedrückte Stimmung? Erica muss uns ja für richtige Trauerklöße halten.«
»Ganz und gar nicht. Vielen Dank, dass ich einfach hier reinschneien durfte und Sie sich Zeit genommen haben. Jetzt habe ich viel Stoff zum Nachdenken, aber so langsam muss ich nach Hause.« Erica stand auf.
»Grüßen Sie die kleine Ebba von mir«, sagte Liza.
»Das mache ich.«
Sie wollten aufstehen und sie zur Tür begleiten, aber Erica kam den beiden zuvor.
»Bleiben Sie sitzen, ich finde allein hinaus.«
Während sie an dem Traum aus Gold, Troddeln und Samtkissen vorbeiging, sang Edith Piaf wieder von ihrem gebrochenen Herzen.
»Wo zum Teufel warst du heute Morgen?« Patrik betrat Göstas Zimmer. »Ich dachte, du wolltest mich zu John Holm begleiten.«
Gösta hob den Kopf. »Hat Annika dir das nicht gesagt? Ich war beim Zahnarzt.«
»Zahnarzt?« Patrik musterte ihn prüfend. »Hoffentlich keine Löcher?«
»Nein. Kein einziges Loch.«
»Wie kommst du mit der Liste voran?« Patrik betrachtete den Papierstapel auf Göstas Schreibtisch.
»Von den meisten Schülern habe ich schon die aktuellen Adressen.«
»Das ging aber schnell.«
»Personennummer.« Gösta zeigte auf das alte Schülerverzeichnis. »Köpfchen, weißt du.« Er reichte Patrik ein Blatt Papier. »Wie lief es denn bei dem Nazi?«
»Gegen diese Bezeichnung hätte er wahrscheinlich einiges einzuwenden.« Patrik überflog die Liste.
»So ist es eben. Sie rasieren sich zwar keine Glatze mehr, aber sind immer noch die gleichen Typen. Hat sich Mellberg gut benommen?«
»Was denkst du denn?« Patrik legte sich die Liste auf den Schoß. »Man könnte sagen, die Polizei Tanum hat sich nicht von ihrer besten Seite gezeigt.«
»Habt ihr wenigstens etwas Neues erfahren?«
Patrik schüttelte den Kopf. »Nicht viel. John Holm weiß nichts über die verschwundene Familie. In der Schule war nichts passiert, was den Vorfall erklärt hätte. Außer den normalen Spannungen zwischen einem Haufen Teenagern und einem strengen Rektor lag nichts in der Luft. Und so weiter.«
»Hast du schon was von Torbjörn gehört?«, fragte Gösta.
»Nein. Er hat versprochen, ein bisschen auf die Tube zu drücken, aber da wir keine frische Leiche zu bieten haben, können sie uns nicht vorziehen. Außerdem ist der Fall verjährt, falls sich herausstellen sollte, dass die Familie ermordet wurde.«
»Aber das Ergebnis der Blutanalyse kann uns wichtige Hinweise bei unseren Ermittlungen geben. Hast du schon vergessen, dass kürzlich jemand versucht hat, Ebba und Mårten bei lebendigem Leib zu verbrennen? Schließlich beharrst du doch darauf, dass der Brand etwas mit dem Verschwinden zu tun hat. Und hast du mal an Ebba gedacht? Hat sie nicht das Recht, zu erfahren, was mit ihrer Familie passiert ist?«
Patrik hob abwehrend die Hände. »Ich weiß, ich weiß, aber bislang habe ich in den alten Ermittlungsakten nichts Interessantes entdeckt, und das Ganze erscheint mir ein wenig hoffnungslos.«
»Enthält Torbjörns Brandbericht keine Anhaltspunkte?«
»Nein. Das war ganz normales Benzin, angezündet mit einem stinknormalen Streichholz. Das ist alles.«
»Dann müssen wir das Knäuel von einer anderen Seite aufdröseln.« Gösta drehte sich um und deutete auf ein Foto an der Wand. »Ich finde, wir sollten die Kerle etwas unter Druck setzen. Die wissen mehr, als sie gesagt haben.«
Patrik stand auf und sah sich das Bild von den fünf Jungs genauer an.
»Da hast du sicher recht. Laut deiner Liste bist du ja der Meinung, dass wir mit Leon Kreutz anfangen sollten. Warum fahren wir nicht gleich hin und unterhalten uns mit ihm?«
»Leider weiß ich nicht, wo er ist. Sein Handy ist abgeschaltet, und im Hotel wohnen er und seine Frau nicht mehr. Vermutlich richten sie sich in ihrem neuen Haus ein. Sollen wir nicht bis morgen warten? Da können wir in Ruhe mit ihnen reden.«
»Einverstanden. Vielleicht versuchen wir es stattdessen mit Sebastian Månsson und Josef Meyer. Die leben ja noch hier.«
»Klar. Ich muss nur noch ein paar Sachen zusammensuchen.«
»Wir dürfen auch diesen ›G‹ nicht vergessen.«
»›G‹?«
»Die Person, die Ebba zum Geburtstag Karten geschickt hat.«
»Glaubst du wirklich, dass das was bringt?« Gösta raschelte mit den Papieren auf seinem Schreibtisch.
»Man kann nie wissen. Wir müssen jedem Anhaltspunkt nachgehen.«
»Wir dürfen uns aber auch nicht verzetteln«, brummte Gösta. »Klingt nach unnötiger Arbeit.«
»Ach was.« Patrik klopfte
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