Die Engelsmuehle
Privatpatienten ist eine der bekanntesten in Wien, wenn auch etwas angestaubt und nicht gerade renommiert. Es gibt bessere, modernere.«
»Würdest du deine Patienten dorthin schicken?«
Kurt sah ihn an, als habe er nicht alle Tassen im Schrank. »Hast du die Einrichtung gesehen? Möglich, dass der Film schon ziemlich alt ist, aber bis heute hat sich dort nicht viel verändert. Im Gegensatz dazu wird in modernen Kliniken eine neurologische Technik angewandt, um die Muskelketten zu aktivieren, damit sie nicht dünner werden.« Er starrte in seine leere Tasse. »Wir sollten das Band der Kripo geben.«
»Und was sage ich Garek? Dass ich die Kassette aus Ostrovskys Haus gestohlen habe?« Hogart ging durchs Zimmer. »Aus welchem Grund wollte Ostrovsky den Film ausgerechnet dir und nicht der Polizei geben? Welche Verschwörung könnte er gemeint haben? Fällt dir nichts dazu ein?«
Kurt wusste keine Antwort darauf.
»Möglicherweise kennt die Frau Ostrovskys Mörder. Vielleicht ist sie in Gefahr?« Hogart schielte zu der Packung Stuyvesant auf dem Tisch. Das war der kribbelige Moment eines jeden Falls, in dem er eine Zigarette dringend benötigte. »Falls ich bis heute Abend nichts herausfinde, schicke ich Garek die Kassette in einem anonymen Brief. Einverstanden?«
»Du bist der Detektiv in der Familie. Das ist deine Welt, nicht meine.«
»Klar doch.« Damit war Kurt fein heraus aus der Sache, und Hogart kümmerte sich um alles.
Während er in den Vorraum ging, um ein Gespräch vom Festnetztelefon zu führen, hörte er, wie Kurt im Wohnzimmer mit dem Handy telefonierte. Hogart wählte die Nummer einer Bekannten, die in der Buchhaltung der Telekom arbeitete und hauptsächlich Mahnungen versandte. Sie hatte Zugang zum Verzeichnis aller telefonischen Einzelverbindungen im Inland und versorgte Hogart ab und zu mit Auskünften. Doch Hogart konnte sie nicht mit Bargeld abspeisen wie alle anderen Informanten, sondern musste Lisa und ihren Mann nach jedem Gefallen zum Essen einladen. Und Lisa war nicht gerade bescheiden, was bedeutete, dass für die beiden bald wieder ein Candle-Light-Dinner im Marriot Hotel fällig wurde.
Nach einigen Versuchen hatte er Lisa am Apparat. Diesmal interessierte er sich für alle Gespräche, die in der Mordnacht von Ostrovskys Handy und seinem Festnetz aus geführt wurden. Lisa versprach ihm, die Liste in einigen Stunden durchzugeben.
Als Hogart wieder das Wohnzimmer betrat, stand Kurt am Fenster.
»Danke, mein Schatz!« Er beendete das Gespräch und nahm das Handy herunter.
»Deine Patientin?«, fragte Hogart mit einem zynischen Unterton.
»Hör endlich auf damit!« Kurt starrte ihn wütend an. »Nein, es war Tatjana. Ich habe sie im Internet nach einer gewissen Linda Bohmann suchen lassen und …«
»Bist du wahnsinnig!«, entfuhr es Hogart. »Du hast deiner Tochter doch hoffentlich nicht gesagt, dass wir an einem Fall arbeiten?«
»Wir? Du arbeitest an diesem Fall. Ich wollte nur etwas über diese Frau rausfinden. Du sagtest, sie könnte in Gefahr sein.«
»Könnte!«, rief Hogart. »Vielleicht ist sie aber auch die Mörderin!«
»Die sitzt im Rollstuhl!«, erwiderte Kurt. »Was jetzt?«
»Solange wir das nicht wissen, sollten wir nicht die ganze Welt in diese Recherchen einbeziehen. Du kennst doch Tatjana. Wenn die etwas Geheimnisvolles wittert, ist sie wie eine Klette.«
»Meine Tochter eine Klette!«, schnaubte Kurt. »In ihren Augen bin ich ein langweiliger Masseur. Sie fragt mich, wie mein Tag war und sobald ich zu einer Antwort ansetze, ist sie schon aus der Tür hinaus. Aber du bist für sie der Größte.«
»Kann ich etwas dafür, dass dein Leben so langweilig ist?«, murrte Hogart. »Erzähl ihr doch von deinen Eskapaden, Casanova, dann hört sie dir bestimmt zu.«
»Super Idee.« Kurt warf ihm einen bösen Blick zu. »Sie würde sich trotzdem mehr für deine Fälle interessieren. Am liebsten würde sie ja ständig in deinem Büro herumhängen.«
In Wahrheit war Tatjana öfter hier, als Kurt ahnte. Manchmal besuchte sie Hogart nach der Schule im Büro, um in seinen Akten zu stöbern oder ihn über seine abgeschlossenen Fälle auszuquetschen. Sie erzählte ihm jedes Mal, dass sie später einmal Detektivin werden wolle, dabei hatte sie keine Ahnung, wie langweilig das Leben eines Schnüfflers ist. Seit Jahren versuchte er, ihr diesen Spleen auszureden - erfolglos. Seine Nichte war nicht nur eine Klette, sondern auch ausdauernd und stur. Eine Eigenschaft, die in der
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