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Die Engelsmuehle

Die Engelsmuehle

Titel: Die Engelsmuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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abgebrochen, die Tür geöffnet und den Zylinder anschließend wieder reingeschoben.
    Hogart griff in das Sakko und fischte die Latexhandschuhe heraus, die er heute Morgen bereits in Ostrovskys Villa benutzt hatte. Er öffnete die Tür und betätigte den Lichtschalter an der Wand. Eine Batterie von Neonröhren flackerte auf und offenbarte einen schmalen Tunnel, der bis zur Decke mit Aktenschränken gefüllt war. Die Luft in dem Raum war schlecht.
    »Wie kann man rausfinden, was im Jahr 1988 passiert ist?«
    Eddie deutete auf ein Buch, das an einer Schnur an der Wand hing. »Zunächst einmal gibt es dieses alphabetische Namensregister der Patienten mit dem Querverweis zur jeweiligen Aufnahmenummer …« Er wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen. »Der Portier«, stöhnte er, nachdem er einen Blick auf das Display geworfen hatte. Er wollte das Gespräch bereits entgegennehmen, als Hogart den Kopf schüttelte.
    »Nur noch eine Minute«, bat Hogart.
    Eddie schaltete das Handy in den Lautlos-Modus und ließ es in der Hosentasche verschwinden. »In den Schränken sind die Akten innerhalb jeder Abteilung nach chronologischen Patienten-Aufnahmenummern abgelegt.«
    »Klingt kompliziert.«
    Eddie lachte. »Wem erzählen Sie das? Unser ehemaliger Oberarzt der Unfallchirurgie, der alte versoffene Doktor Faltl - ein hundsmiserabler Arzt, aber ein Pedant durch und durch - hat dieses System entwickelt, nach dem wir heute immer noch Daten erfassen.« Eddie breitete die Arme aus. »Ich präsentiere: die Faltl-Methode, direkt aus der Steinzeit!«
    »Gibt es kein elektronisches Archiv?«
    »Jetzt schon, aber die Daten von 1988 liegen in diesen Schränken.«
    Mit den Gummihandschuhen nahm Hogart das Buch vom Haken. Zunächst blätterte er von hinten nach vorne bis zum Buchstaben O. Allerdings fand er keinen Eintrag, der auf Ostrovsky lautete. Beim Buchstaben D keinen Eintrag wie Dornauer, und als er den Buchstaben B erreichte, fielen einige lose Blätter aus dem Buch. Jemand hatte die Seiten aus dem Patientenbuch gerissen.
    »Das war ich nicht!«, protestierte Eddie.
    »Ich weiß. Ich suche nach Akten über Rollstuhlpatienten oder Akten, die mit Rückenmarksverletzungen zu tun haben.«
    »Dann brauchen wir die Unfallchirurgie.« Eddie ging voraus in den Tunnel, bis er einen bestimmten Aktenschrank erreichte. »Aber ohne Aufnahmenummer müssen wir alles durchsehen.«
    Während Hogart die Schubladen aufzog, begann Eddies Handy zu vibrieren.
    »Wir haben es gleich geschafft«, besänftigte Hogart den Archivar, der das Gespräch wieder entgegennehmen wollte. Als Hogart die Schubladen des nächsten Schranks aufzog, wurde er fündig. Das Fach mit den Nummern 314.020/88 bis 314.085/88 fehlte komplett.
    »Gibt es Kopien?«
    Eddie lugte in die Lade. »Mann, ich fasse es nicht. Scheiße, da fehlen über sechzig Einträge!« Fr fuhr sich durch die Haare. »Kann man herausfinden, was fehlt?«
    »Wie denn? Die Akten sind fort und ich nehme an, die entsprechende Seite mit dem dazugehörigen Patientennamen auch.«
    Im Gang erklang das surrende Geräusch des Fahrstuhls. Jemand hatte den Lift nach oben gerufen. »Was ist 1988 passiert?«, drängte Hogart.
    »Haben Sie keine leichtere Frage? Damals war ich vierzehn Jahre alt.«
    Hogart schloss wieder alle Laden. Anschließend zog er sich die Handschuhe aus und stopfte sie in die Sakkotasche. Dem Geräusch des Fahrstuhls nach zu urteilen, fuhr die Kabine wieder nach unten. »Ein Kollege von mir kommt gleich zu Ihnen herunter. Rühren Sie nichts an und sagen Sie dem Beamten, dass hier eingebrochen wurde. Er wird das Spurenteam holen und sich um alles Weitere kümmern.«
    »Warum sagen Sie ihm das nicht selbst?«
    »Ich muss weg.« Hogart verschwand aus dem Tunnel und ging eilig durch den Vorraum des Archivs.
    Als er im Gang stand, hörte er das Klingeln des Lifts. Ehe sich die Fahrstuhltür öffnete, schlüpfte er durch die Brandschutztür ins Treppenhaus.

7
     
    Die Sonne versank hinter dem Stephansdom und tauchte die Wiener Innenstadt in ein dunkelviolettes Licht. Lange Schatten fielen über den Platz, der sich zunehmend leerte. Die Passanten eilten hastig in alle Richtungen. Von Osten her zogen Gewitterwolken auf. Der Horizont hatte sich bereits in eine dunkle Masse verwandelt und in einer Stunde würde es ein saftiges Sommergewitter geben.
    Hogart saß in seinem Wagen, der in einer Seitengasse des Stephansplatzes parkte. Von hier aus konnte er den Dom sehen, die Fußgängerzone und den

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