Die Engelsmuehle
österreichweit täglich über Tausende Abfragen auf allen Dienststellen liefen, war eine Überprüfung unmöglich und eine Entdeckung nahezu unwahrscheinlich.
Tatjana bekam große Augen. »So arbeitest du?«
»Wie dachtest du, kommt ein Detektiv an Informationen ran?«
Unwillkürlich senkte sie die Stimme. »Ich war der Meinung, du recherchierst wie Philip Marlowe oder Nero Wolfe, stattdessen bezahlst du einen korrupten Bullen als Informanten.«
»Korrupt ist ein wenig übertrieben. Mein Kontaktmann hat monatlich etwa fünfhundert Euro mehr Fixkosten, als er verdient - er braucht das Geld einfach.« Hogart klimperte wieder mit dem Löffel in der Tasse.
»Welche Informationen hast du bei dieser Rotlicht-Affäre gekauft?«
»Wann und in welchem Bordell eine Razzia geplant war.«
Tatjana bekam große Augen. »Ist nicht dein Ernst?«
Hogart schwieg.
»Und du hast diese Daten an die Bordellbesitzer verkauft?«
»Bist du verrückt?« Hogart senkte die Stimme. »Es funktioniert so. In den meisten Wiener Bordellen arbeiten Ukrainerinnen als Bardamen. Allerdings haben die wenigsten Mädchen ein ärztliches Zeugnis, eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Aufenthaltsgenehmigung. Falls es zu einer Razzia kommt, geht der ganze Laden hoch.« Hogart rückte näher. »Unabhängig davon gibt es in der Versicherungsbranche immer wieder bestechliche Gutachter, die raffiniert genug sind, Beweise verschwinden zu lassen, Fakten zu fälschen und getürkte Expertisen auszustellen, mit denen sie die Versicherung übers Ohr hauen. Dabei geht es nicht um lächerliche Einbrüche, sondern um Millionenbeträge, wenn beispielsweise ein Hochhaus abbrennt, eine Boeing in den Tower kracht oder ein Öltanker auf ein Riff läuft. Die Fachleute dieser privaten Gutachterinstitute machen ihren Job seit Jahrzehnten und sind so clever, dass ich ihnen das Handwerk nicht legen kann, obwohl ich weiß, dass sie Dreck am Stecken haben.«
»Was hat das mit der Razzia in einem Bordell zu tun?«
»Wenn ich mich mit einem dieser aalglatten Gutachter treffe, um einen Fall zu besprechen, wähle ich ein Etablissement, in dem am selben Abend eine Razzia geplant ist. Ich stecke der Bordellbesitzerin die Information zu, dass eine Aushebung bevorsteht, die lässt ihre Mädchen verschwinden und kümmert sich im Gegenzug darum, dass mein Gutachter in bester Gesellschaft ist, sobald die Kripo auftaucht.«
»In bester Gesellschaft?«
»Falls er verheiratet ist, kleben zwei Bardamen an seiner Backe, falls er Single ist, genügt ein junger Mann. Ich sorge dafür, dass die Presse rechtzeitig von der Razzia erfährt, verschwinde aber, sobald ich den Anruf von meinem Kontaktmann erhalte, dass die Ermittler vor der Tür stehen.«
»Danach sorgen Kripo und Presse dafür, dass der Ruf des Gutachters ruiniert ist und seine Familie davon erfährt«, schlussfolgerte Tatjana.
»Oder ich bügle das für ihn aus und er zieht sein Gutachten zurück.«
»Du trickst herum, wie es dir gefällt, und kassierst anschließend eine fette Provision!« Tatjana kniff die Augenbrauen zusammen. »Du bist genauso ein Ekel wie diese korrupten Gutachter.«
»Ich weiß.«
Sie boxte ihm in die Schulter. »Du bist ein Riesen-Ekel!«
»Ja, und? In dieser Branche muss man mit den Wölfen heulen.«
»Aber wenn nun einer der Gutachter eine echte Expertise ausgestellt hat?«
»Das finde ich bei meinem Gespräch mit ihm raus - glaube mir, ich habe ein Bauchgefühl dafür.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist trotzdem ein Ekel.«
»So läuft das Geschäft nun mal. Aber vor fünf Jahren sprach sich herum, dass bei manchen Razzien kein Erfolg erzielt wurde. Jemand kam dahinter, verpetzte uns, die Geschichte flog auf und die Zeitungen waren voll davon. Ich verlor fast meine Detektivlizenz. Dr. Fliesenschuh, der Anwalt, der deinen Vater vertritt, boxte mich damals aus dieser Sache raus. Seitdem klappt das nicht mehr so einfach, an Informationen ranzukommen.«
»Mein Vater hat mir nie etwas darüber erzählt.«
»Weil er es nicht weiß - und du hältst die Klappe!«
Tatjana fuhr sich mit dem Zeigefinger symbolisch über die Lippen und hob anschließend die Hand zum großen Indianerehrenwort. »Wer war dein Informant?«
Hogart dachte einen Moment an Rolf Garek, der seit seiner Scheidung verzweifelt Alexander Solschenizyns Achipel Gulag las. Damals hatte Garek Dolores kennengelernt. Die Polin jobbte in einer der Bars - natürlich ohne die Dutzenden Bewilligungen und
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