Die Engelsmuehle
Bohmann?«
Garek senkte die Stimme. »Aus Faltls Kontoauszügen geht hervor, dass er von 1988 bis zu Ernest Bohmanns Tod im Jahre 2004 jeden Monat umgerechnet dreihundert Euro von Bohmann überwiesen bekommen hat. Er hat die Bohmanns erpresst, siebzehn Jahre lang.«
Hogart verzog das Gesicht. »Und du glaubst, diese Mappe ist…« Er rechnete nach. »… sechzigtausend Euro wert?«
Garek zuckte die Achseln. »Bohmann war Jurist, ein einflussreicher Verleger und Zeitungsmensch. Er konnte sich nicht leisten, dass die Wahrheit über seine Töchter ans Licht kam. Immerhin arbeitete Madeleine eine Zeit lang im Verlag.« Garek lehnte sich zurück. »Für mich sieht die Sache so aus: Der Killer hat Faltl gefoltert, weil er hinter dieser Mappe her war. Aber der alte Knabe starb an seinen inneren Verletzungen, Freitagnacht gegen 23.00 Uhr.«
»Aber das ergibt keinen Sinn«, überlegte Hogart. »Bohmann ist seit über zwei Jahren tot, der Verlag wurde verkauft, und die Bohmann-Schwestern sind nicht gerade das, was man finanziell unter einer guten Partie versteht.«
»Weshalb sollten die Morde sonst begangen worden sein?«
Hogart starrte in die leere Kaffeetasse. »Wer sagt, dass es immer noch um Erpressung geht? Alfred Faltl war der Einzige, der außer Ostrovsky und Dornauer von der Attacke mit der Schere und Madeleines Geisteskrankheit wusste. Außerdem kannte er die Verbindung von Linda zu den beiden Ermordeten, die der Killer so verzweifelt zu vertuschen versucht. Möglicherweise steckt etwas völlig anderes dahinter?«
»Sehr überzeugend.« Garek blähte die Wangen, als hätte er einen besseren Geistesblitz erwartet. »Linda hat übrigens gestanden, dass sie Ostrovsky, Faltl und Dornauer kannte.«
»Ihr verdächtigt doch nicht eine querschnittgelähmte Frau?«
Garek nahm das Foto von der Schere zur Hand. »Nein, aber möglicherweise ihre Schwester. Bartoldi, unser Gerichtsmediziner, kann anhand dieses Bildes herausfinden, ob es sich um die Mordwaffe handelt.«
»Kommt Kurt nun raus?«
Garek schüttelte den Kopf. »Das Botox aus seiner Wohnung ist mit den Spuren an den drei Tatorten identisch.«
»Das wurde ihm untergejubelt.«
»Natürlich.« Garek lachte laut auf. Tatjana sah für einen Moment vom Tresen zu ihnen herüber. »Übrigens steht es um dich nicht besser. Linda Bohmann hat sich erkundigt, ob du ein Kripobeamter bist. Sie will eine Beschwerde gegen dich einreichen. Eichinger hat sie nicht davon abgehalten. Ich rate dir, dass du das rasch mit ihr klärst.«
»Ich bin Probleme gewöhnt.« Hogart versuchte zu lächeln, doch Garek blieb ernst.
»Hog, das ist leider nicht alles.« Er beugte sich über den Tisch. »Eichinger hat beim Staatsanwalt Anzeige gegen dich erstattet, weil du das Video vom Ostrovsky-Tatort entwendet, dich im Krankenhaus als Beamter und in der Dornauer-Klinik bei Frau Scholl als Versicherungssachbearbeiter ausgegeben hast.«
»Scheiße.«
»Und jetzt hast du auch noch diese Beweismittel vom Faltl-Tatort entfernt.«
Hogart schwieg. Was machte es für einen Unterschied, wenn er Garek erklärte, dass er die Mappe nicht am Tatort, sondern in einem Schließfach gefunden hatte?
»Du solltest endlich die Finger von dem Fall lassen.«
»Das haben mir schon mehrere Leute gesagt.«
»Ich weiß, aber diesmal könnte es dir nicht nur eine Geld-, sondern auch eine Haftstrafe einbringen und dich endgültig die Detektivlizenz und deinen Waffenpass kosten.« Garek schob die Mappe unter seine Jacke, erhob sich und verließ ohne weiteren Kommentar das Lokal.
Hogart sah ihm nach, wie er ohne den Blinker zu setzen mit dem Wagen vom Bürgersteig rumpelte und sich zwischen den hupenden Autos in den Straßenverkehr einfädelte.
Im nächsten Moment stand Tatjana mit einer Kaffeetasse vor Hogarts Tisch. »Du siehst ziemlich fertig aus.«
»Die sind sauer, weil ich mit den Schwestern recht hatte und sie trotz der Empfehlung des Staatsanwalts ermitteln müssen.« Hogart nippte an der Tasse, verzog aber sogleich das Gesicht. »Der ist eiskalt.«
Tatjana hob die Arme. »Nicht meine Schuld. Außerdem macht kalter Kaffee bekanntlich schön, und bei deinem Veilchen und der Lippe hast du das dringend nötig.«
Er runzelte die Stirn. Was hatte das Mädchen da gesagt? Plötzlich kam ihm der erlösende Gedanke. Bisher hatte ihn jeder danach gefragt, woher das Veilchen und die aufgeplatzte Lippe stammten: Gomez, Tatjana, seine Mutter, Eichinger, Garek und sogar Rektor Priola - alle, denen er in den
Weitere Kostenlose Bücher