Die Engelsmuehle
Automechaniker war und seine angebliche Tochter auch nicht wirklich Kunst studieren wollte. Als er sie dann auch noch nach ihrer Schwester befragte, sah sie nur noch eine Möglichkeit: Sie musste herausfinden, was er wusste, wer er tatsächlich war und weshalb er ihr und Linda nachspionierte. Schlussendlich brach sie in seine Wohnung ein, wo sie das Video fand. Hogart wunderte sich über sich selbst. Und er hatte für einen Moment gedacht, sie flirtete deshalb mit ihm, weil er ein so charmanter und gut aussehender Kerl war. In Wahrheit war er nur ein Idiot, der sich von einer eiskalten Frau um den Finger wickeln ließ. Im Gegensatz zu Madeleine war Linda völlig anders, auch wenn Rektor Priola das Gegenteil vermutete.
Linda musterte ihn neugierig. »Weshalb sehen Sie mich so an?«
»Sie sind viel sanfter, offenherziger und gefühlvoller als Ihre Schwester.«
»Ich denke nicht, dass Ihnen zusteht, so etwas zu behaupten.« Sie blickte verlegen zur Seite.
»Natürlich nicht, tut mir leid. Es tut mir auch leid, dass Sie stundenlang von der Kripo verhört wurden.«
»Halb so schlimm, die waren nur an Madeleine interessiert.«
»Wissen Sie, wo sie sich zurzeit aufhält?«
»Vermutlich auf ihrer Ausstellung …« Linda wurde stutzig. »Die Beamten glauben doch nicht etwa, dass Madeleine etwas mit den Morden zu tun hat?«
Hogart antwortete nicht.
»Ich bitte Sie, das ist doch lächerlich. Aus welchem Grund?«
»Sie wollte alle Unterlagen verschwinden lassen, die belegen, dass sie psychisch krank ist und dass sie die Schuld an Ihrem Unfall trug«, vermutete Hogart.
Linda errötete. »Das wissen Sie? Auch die Sache mit der …?«
»Schere?«
Sie seufzte tief. »Ich hatte gehofft, das würde nie herauskommen.«
»Verschwiegen Sie deshalb, dass Sie die Opfer kannten, um zu verhindern, dass die Vergangenheit Ihrer Schwester ans Licht kommt?«
»Sie verstehen das nicht. Falls jemand diese alte Geschichte aufwärmt, wird der Ruf der Familie befleckt - und schlimmer - falls herauskommt, dass Madeleine verrückt ist, könnte sie in eine Anstalt eingewiesen werden.«
Es war unglaublich. Begriff diese Frau nicht, worum es hier ging? »Aber es handelt sich nicht länger um eine Körperverletzung mit einer Schere. Mittlerweile geht es um Mord!«
»Das ist doch lächerlich!«, rief Linda. »Weshalb sollte Madeleine jemanden töten?«
»Sie ermordete jene drei Ärzte, die von der Attacke mit der Schere wussten, um ihre Geisteskrankheit geheim zu halten. Anschließend verwischte sie sämtliche Spuren und ließ alle Unterlagen verschwinden, die Sie mit den Mordopfern in Verbindung brachten.«
Linda lachte auf. »Ich bin keine Kriminalpsychologin, aber das sind ziemlich dünne Vermutungen. Und weshalb sollte das ausgerechnet jetzt geschehen?«
»Möglicherweise wollte Faltl sie nach zweieinhalb Jahren Pause wieder erpressen?«
Linda richtete sich in ihrem Rollstuhl auf. »Wie bitte?«
Hogart schwieg für einen Moment. Nur Sades sanfte Stimme war im Hintergrund zu hören. Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. »Alfred Faltl hat Ihren Vater erpresst«, sagte er leise.
Lindas Gesicht wurde bleich. Sie hob die Hände vor den Mund, um einen Aufschrei zu verhindern. »Faltl, der Chirurg? Dieses Schwein …«, presste sie zwischen den Fingern hervor. Unwillkürlich strich sie mit einer Hand die Wolldecke glatt, die auf ihren Beinen lag, als wolle sie den Oberschenkel wärmen.
Sie sah Hogart an. »Wusste Madeleine davon?« Ohne seine Antwort abzuwarten, sprach sie weiter. »Als Alleinerbin nach dem Tod unserer Eltern sind ihr bestimmt Vaters Kontoauszüge in die Hände gefallen. Sie hat nie ein Wort darüber verloren.«
Hogart schluckte, als er sah, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten. Offensichtlich krempelte sich soeben ihr gesamtes Weltbild um. Er hätte von Anfang an die Finger von diesem Fall lassen sollen und Linda niemals an der Akademie besuchen dürfen. Immer musste er sich in fremde Angelegenheiten mischen.
»Wie lange ging diese Erpressung?«, fragte sie mit kalter, distanzierter Stimme. »Siebzehn Jahre.«
»Siebzehn Jahre«, wiederholte Linda. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. »Ich möchte Sie bitten, mich allein zu lassen … und nehmen Sie den Cognac bitte wieder mit.«
Als Hogart mit der Flasche in der Hand vor dem Haus stand, starrte er eine Weile zum Mond, der soeben hinter dem Donauturm hervorkam und die Straße in milchiges Licht tauchte. Die Laternen
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