Die Engelsmuehle
Leichen, die Bartoldi von Lehmresten befreite.
Garek griff in die Innentasche seiner Jacke und fischte einen Stapel Fotos heraus, den er Hogart reichte. Die Bilder waren zwar scharf, aber unterbelichtet. Trotzdem waren Hauser und Madeleine zu erkennen. In der Abenddämmerung in einem Wagen. Hausers kantiges Gesicht, der Bürstenhaarschnitt und die Stahlrahmenbrille waren unverkennbar. Auf diesen Fotos lächelte der Mittfünfziger allerdings nicht so aalglatt wie auf den Pressefotos, wenn er sich mit dem Untersuchungsergebnis eines brisanten Falls ins Rampenlicht der Medien drängte. Hier sah es zunächst aus, als streite er sich mit Madeleine, auf anderen Bildern küssten sie sich. Im Hintergrund war das Gemäuer der Engelsmühle zu erkennen - doch nur für jemanden, der wusste, wie die Mühle aussah.
Hogart gab Garek die Bilder zurück. »Sind das die Fotos von dem Negativstreifen aus Faltls Unterlagen?«
»Wir haben sie gestern Abend entwickelt. Die Bilder sind etwa fünf Jahre alt.«
FünfJahre! Aus einer Zeit, lange bevor Lindas und Madeleines Eltern verunglückt waren. Staatsanwalt Friedhelm Hauser, der gute Freund des Verlegers Bohmann, hatte wohl ein engeres Verhältnis zur Familie, als seiner Frau lieb war. Und während Anne Hauser an der Akademie Lindas Kurse besuchte, vergnügte sich der Staatsanwalt mit der anderen Bohmann-Schwester in der Engelsmühle. Eine feine Sache.
Garek steckte die Fotos in die Tasche. »Das reichte, um Hauser den Fall zu entziehen.«
Nach Hogarts Meinung reichte das, um Hauser noch viel mehr anzuhängen. Wäre er doch nicht so blöd gewesen, sich dabei fotografieren zu lassen. Hogart hatte den alten, versoffenen Faltl unterschätzt. Ohne Führerschein war es für ihn bestimmt nicht so einfach gewesen, nachts auf dem Kahlenberg durch den Wald zu schleichen und das Liebespaar im richtigen Moment zu fotografieren. Wie viele Versuche waren dafür wohl notwendig gewesen? Möglicherweise hatte er einen ganzen Sommer damit verbracht, diese Aufnahmen zu schießen. Doch wozu? Um sich wegen seiner Erpressung der Bohmanns vor der Staatsanwaltschaft abzusichern?
Jedenfalls konnte man noch so vorsichtig sein, irgendwann erwischte es jeden - ob es nun Kurt war, der ein Verhältnis mit seiner Patientin hatte, seine Mutter und der ehemalige Geschäftspartner seines Vaters, Doktor Dornauer und seine Sekretärin Carmen Scholl oder Staatsanwalt Hauser, der Madeleine Bohmann fröhlich in der Engelsmühle vögelte. Hogart war von keinen normalen Paaren umgeben, denn wie es schien, war jede Beziehung verkorkst und brachte Schwierigkeiten mit sich. Vielleicht war aber gerade das normal?
»Woran denkst du gerade?«, fragte Garek.
»An meine Mutter.«
»Dein Gemüt möchte ich haben.« Plötzlich grinste Garek. »Sie trifft sich übrigens immer noch mit diesem Betrüger, der damals deinen Vater reingelegt hat. Der ist clever, wir können ihm nichts nachweisen.«
»Ich weiß.« Hogart seufzte. »Einmal im Monat im Caruso-Hotel.« Seine Gedanken kehrten wieder zu dem Fall zurück. »Heißt das, Hauser wurde suspendiert?«
»Noch nicht … ah, Sodbrennen!« Garek spuckte wieder auf den Boden. »Plassonick hat den Fall vorübergehend übernommen. Er gab uns in allen Angelegenheiten grünes Licht: Wir haben den Wagen der Bohmanns mit einem Kran aus der Schlucht bergen und zur Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle abschleppen lassen.«
Plassonick? Laurenz Plassonick! Hogart kannte den Namen. Ein alter Haudegen, der bestimmt schon seit zwanzig Jahren Staatsanwalt war und nicht einmal mit der Wimper zucken würde, wenn es darum ging, eine Vertuschung auffliegen zu lassen. Im Moment lief es für Kurt recht gut, aber Hogart hatte immer noch den Gerichtstermin der Eisernen Lady im Nacken. Und dieses Verfahren konnte ihm nicht nur eine Geldstrafe und den Verlust seiner Lizenz, sondern auch eine saftige Haftstrafe einbringen. Margaret Braunstorfer hatte damals die Verhandlung geführt, als ihn der Staatsanwalt wegen Behinderung einer Amtshandlung in der Meidlinger Rotlicht-Affäre angeklagt hatte. Die alte Lady konnte sich bestimmt noch an Hogart erinnern, und falls nicht, brauchte sie nur in seine Akte zu sehen. Es kam nicht alle Tage vor, dass jemand einige Razzien auffliegen ließ, um getürkte Versicherungsgutachten in Millionenhöhe verschwinden zu lassen. Auch nach so vielen Jahren holte ihn die Vergangenheit immer wieder ein.
»Alter, hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Garek. Hogart zuckte
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