Die Engelsmuehle
Durchsuchungsbefehl beantragt?«
Garek zog ein zerknülltes Blatt aus der Hosentasche. Darauf befand sich eine handschriftliche Skizze mit einem Anfahrtsweg und einer Adresse: Engelsmühle 1, am Kahlenberg in Wien-Döbling.
»Kopetzky und die Jungs von der Cobra, die Madeleine gestern Nacht verhaften wollten, irrten eine gute Stunde im Wald herum, ehe sie die Mühle fanden. Dieser lausige Schmierzettel lag heute Morgen auf meinem Schreibtisch.« Garek wendete das Blatt. Viel Spaß, zieh dir Wanderschuhe an, Kumpel, stand auf der Rückseite. »Die Kollegen von der Cobra waren schon immer besonders witzig.«
»Mehr hast du nicht?«
»Kann im Moment niemanden erreichen. Die Cobratruppe fliegt einen Tschetschenen mit der AUA außer Landes, und laut Dienstplan hat Kopetzky donnerstags seinen freien Tag. Der geht nicht einmal ans Handy, wenn das Nachbarhaus brennt. Ich bin froh, dass er mir wenigstens diesen Plan gezeichnet hat.« Garek faltete das Papier zusammen.
Sie erreichten Gareks weinroten Opel, der einer Schrottmühle immer ähnlicher wurde.
»Ich weiß, wo Madeleine wohnt«, sagte Hogart.
»Kann ich mir denken, Alter.«
»Der Weg ist so verwinkelt, den findest du nie. Außerdem weiß ich, wo der Hausschlüssel hängt.«
Garek kniff die Augen zusammen. »Und die alte Braunstorfer?«
»Falls mich die Kripo bei einem Einsatz benötigt, verschiebt sich mein Gerichtstermin.«
Garek kaute an der Unterlippe. »Das funktioniert nie.«
»Bei Hauser hätte das nie geklappt, aber Plassonick weiß nichts von der Vorladung.« Hogart warf einen Blick auf die zerknüllte Skizze in Gareks Hand. »Du vergeigst mindestens ein, zwei Stunden, bis du die Mühle findest.«
»Und du riskierst Kopf und Kragen, wenn du nicht im Gerichtssaal erscheinst.« Garek blickte erneut auf die Armbanduhr. »Wann ist dein Termin?«
»13.15 Uhr.«
»Hör zu, wir machen es so: Du zeigst mir den Weg und ich erkläre den Damen in Maggie Braunstorfers Kanzlei, dass deine Anwesenheit im Fall Madeleine Bohmann dringend erwünscht ist. Das wird zwar weder die Richterin noch den Staatsanwalt beeindrucken, aber vielleicht kommen wir in der Zwischenzeit weiter im Fall voran - und du hast Zeit gewonnen.«
»Klingt gut.«
»Klingt Scheiße, aber das ist unsere einzige Möglichkeit.« Garek sperrte seinen Wagen auf. »Ich muss vorher den Durchsuchungsbefehl vom Gericht abholen und Krajnik von der Spurensicherung aufgabeln. Der liegt wahrscheinlich noch zu Hause im Bett. Wo treffen wir uns?«
»Vor Ostrovskys Villa.«
»Okay, in einer Stunde. Aber du führst uns nur hin und gibst uns den Schlüssel. Ins Haus kommst du nicht.«
»Das reicht mir«, antwortete Hogart. Fürs Erste.
24
Hogart lenkte seinen Wagen über die Höhenstraße auf den Kahlenberg. Garek und der Spurensicherer folgten ihm im weinroten Opel. Während eine Kassette von Muddy Waters im Autoradio lief, telefonierte Hogart mit dem Wilhelminenspital, in dem Elisabeth Domenik lag. Ihr Zustand hatte sich seit gestern nicht gebessert. Sie litt immer noch an den Folgen der Gehirnerschütterung und wurde soeben mit einem Liegegips von der Unfallchirurgie zum Röntgen gebracht. Der diensthabende Arzt wollte Hogart nicht mit ihr sprechen lassen. Daraufhin bestellte Hogart in seiner Blumenhandlung einen weiteren Strauß, den er wiederum mit einer Karte in die Klinik auf Domeniks Zimmer bringen ließ. Vertrauen Sie mir - ich bringe den Fall zu Ende. Sein schlechtes Gewissen ließ sich zwar mit einem Dutzend Rosen nicht wegzaubern, aber im Moment fand er keine Zeit, ihr einen Besuch abzustatten.
Als Nächstes telefonierte er mit dem chemischen Labor in der Rosensteingasse, in das Domenik die Brandspuren aus dem Archiv der Krankenkasse gebracht hatte. Er ließ sich zu Albert verbinden, der angeblich der Beste seines Jahrgangs war, wie Domenik behauptet hatte. Wie immer gab es Anfangsschwierigkeiten. Erst als Hogart ihm erklärte, dass er ein Bekannter Domeniks sei und für Kohlschmied von Medeen & Lloyd arbeitete, war der Chemiker bereit, ihm am Telefon zu erzählen, was er herausgefunden hatte. Zunächst verstand Hogart kein Wort von der Fachsimpelei über Oktanzahlen und Prozent-Volumensanteile. Für ihn wurde es erst interessant, als der Bursche erwähnte, dass der erhitzte Kunststoff nicht nur das geschmolzene Glas überzogen, sondern sich mit dem Glas vermengt hatte, ehe es erstarrt war. Sowohl im Kunststoff als auch in den Bruchstücken der Fensterscheibe befanden sich
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