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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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er es mit ihrem Einverständnis getan.»
    «Das ist Unsinn», brauste Hebbel auf. «Völliger Unsinn. Madame Boehlich würde nie Unrechtes tun, und den Faktor wollte sie nur heiraten, weil sie es dem alten Boehlich auf seinem Sterbebett versprochen hatte. Der Alte hatte einen Narren an Kloth gefressen, und keiner wusste, warum. Auch wenn sie nicht glücklich darüber war, galt ihr dieses Versprechen als unauflöslich.»
    Er ließ sich erschöpft auf den Hocker neben der Presse fallen und drückte die Hände gegen die Augen.
    «Glaubt mir», sagte er schließlich, «seit ich weiß, was geschehen ist, habe ich mir tausendmal vorgeworfen, dass ich nichts gesagt habe. Tausendmal. Wie leicht hätte
ihr
etwas zustoßen können. Oder den Kindern. Ich war einfach zu stolz, Ihr könnt es ruhig dumm nennen. Natürlich hätte ich ihr davon berichten müssen, aber wie? Sie vertraute Kloth, und ich, ich habe Kloth verflucht, weil ich so gerne an seiner Stelle sein wollte. Nicht in der Druckerei, das war mir egal, aber   …» Er verstummte und starrte blind durch das Fenster in den abendroten Himmel.
    «Seid Ihr deshalb nach London gegangen?», fragte Rosina leise.
    «Ja», sagte er und sah sie an. «Ich konnte dort nicht bleiben. Und zusehen, wie Kloth sich zum Herrn ihres Hauses macht.»
    «Woher wusstet Ihr überhaupt, dass hier ein Drucker gebraucht wird?», fragte Wagner, der endlich auch die wahre Ursache für Hebbels Unruhe begriff. «Gerade in dieser Druckerei, meine ich.»
    «Das war ganz einfach. Kloth war weder dumm noch blind. Als ich sagte, ich wolle Madame Boehlich bitten, meinen Vertrag zu lösen und mir woanders Arbeit suchen, war er ganz schnell mit guten Ratschlägen zur Stelle. Ich hatte eher an Lüneburg oder Lübeck gedacht. Aber sein Vorschlag, mir eine Arbeit in London zu vermitteln, gefiel mir. Es schien gut, sehr weit wegzugehen.»
    «Dann kannte Kloth also Euren jetzigen Dienstherren.»
    Hebbel schüttelte den Kopf. «Nicht persönlich. Aber er war viel herumgekommen, bevor er sich endgültig in Hamburg niederließ, und hatte viele Verbindungen. Woher er diese hatte, weiß ich nicht. Es passte gut und war mir gleichgültig. Ich habe nicht viel gefragt.»
    Wagner nahm eine der Lampen, ging durch den Raum bis unter die Trockenleinen. Er legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Bögen. «Wie lange dauert das Trocknen?», fragte er schließlich.
    «Das kommt auf das Wetter an, je nachdem, wie warm und feucht die Luft ist. Auch auf die Dicke des Papiers. Es wird vor dem Drucken leicht angefeuchtet, damit es die Druckerschwärze besser aufnimmt. So müssen nach dem Druck die Feuchtigkeit und die Schwärze trocknen. Es dauert auf alle Fälle einige Stunden, am besten über Nacht. Was Ihr dort seht, sind neue Seiten für das Heiratsregister des Magistrats. Die werden in London schon seit siebzehn Jahren gedruckt, von Anfang an bei MacGavin.»
    «Und was druckt Ihr sonst noch?», fragte Rosina. Sie fand, wenn Madame Augustas Rosmarin-Branntwein schon nicht zur Verfügung stand, brauche Hebbel dringend eine belanglose Frage zur Atempause.
    «Nahezu alles außer Zeitungen. Von Büchern bis zu Visitenkarten. Theaterzettel, vor allem für das Drury Lane Theatre, alle möglichen Register für den Magistrat, Policen für die Assekuranzen, verschiedenste Billetts, Warenlisten für die Händler und Läden, Kataloge von Sammlungen oder für Auktionen, Einladungen – was eben so zu drucken ist.»
    «Was sind das eigentlich für Nadeln, an denen Ihr Euch gerade gestochen habt?», fragte Wagner und kehrte an die Presse zurück. Er beugte sich vor und prüfte mit der Spitze seines Zeigefingers eine der dünnen metallenen Spitzen, die in der Mitte des oberen und unteren Randes der Deckel genannten Halterung für den Papierbogen aufragten.
    «Das sind die Punkturen», erklärte der Drucker, «feine Nadeln, die den Bogen akkurat im Deckel halten. Besonders wichtig sind sie für das Bedrucken der Rückseite. Wenn die Druckerschwärze auf der zuerst bedruckten Seite getrocknet ist, wird der Bogen wieder eingelegt und die Rückseite bedruckt. Damit die Zeilen dort genau auf die gleiche Stelle wie die auf der Vorderseite gedruckten treffen – sie könnten sonst durchscheinen und das Schriftbild unklar werden lassen   –, wird der Bogen über die winzigen Löcher vom ersten Einlegen auf die Punkturen gelegt.»
    «Hm», sagte Wagner, «und dann? Kann es sein, dass das Papier reißt, wenn man den Bogen zu rasch

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