Die englische Episode
Assekuranzen, aber soviel ich weiß, sind sie in keiner Weise gegen irgendein Gesetz. Warum sollte Kloth sie klammheimlich in der Nacht drucken? Wollte er eigene Geschäfte machen und Madame Boehlich um den Preis für die Arbeit betrügen?»
«Ich weiß nicht, ob die an dem Geschäft teilhatte. Noch nicht, leider. Auf alle Fälle aber hat er die Formulare in der Nacht gedruckt, weil niemand davon wissen durfte. Die Policen waren nicht für die Hamburger Assekuradeure, die ihre Unternehmen in ordentlichen Kontoren und an der Börse betreiben. Sie waren für Betrüger, die ein äußerst einträgliches Geschäft damit machen, das nichtnur schädlich für die Betrogenen, sondern auch für die ehrbaren Assekuradeure ist. Wenn sich herumspricht, dass die Versicherungen in Hamburg nicht verlässlich sind, wird bald niemand mehr bei ihnen Schiffe und Ladungen versichern. Darauf warten die Holländer und die Engländer oder Kopenhagener nur. Ich weiß noch nicht, warum Kloth sterben musste, aber dass es dabei um genau diese Sache ging, das sagt mir meine Nase. Unbedingt.»
***
Stanton Bixborn wischte sich den Schweiß von der Stirn und lehnte die Schaufel gegen den Stamm der Linde. Er mochte den Baum, weniger, weil er ein stolzes altes Gewächs war und im Frühsommer süß duftete, sondern weil er seinen Hof vor neugierigen Blicken aus den oberen Etagen des Findelkinderheimes schützte. Der hohe Bretterzaun, den er im letzten Jahr um sein kleines Grundstück gezogen hatte, hatte ihm endgültig den Ruf eines menschenscheuen Eigenbrötlers eingebracht. Es störte ihn nicht, er legte tatsächlich keinen Wert auf nachbarschaftliches Geschwätz oder unerwartete Besuche. Das hatte er nie getan, auch nicht in den Zeiten, bevor der Zaun nötig wurde. Die weit ausladende Krone jedoch machte die Abgeschlossenheit seines Hofes erst perfekt. So beeinflusste der Baum auch den Rhythmus seiner Arbeit, denn Bixborn war ein vorsichtiger Mensch. Nachdem die Äste im Herbst ihre Blätter abgeworfen hatten, ließ er das Tümpelchen hinter dem Schuppen, tatsächlich nicht viel mehr als ein morastiger Flecken, unberührt.
Von Zeit zu Zeit schüttete er Jauche in den Morast.Das war eine harte Prüfung für seine Nase und lockte noch mehr Ungeziefer an, doch für den Erfolg seiner Arbeit war die stinkende Brühe unerlässlich. Er hatte sich bald daran gewöhnt, und der Schuppen, der zwischen dem Morast und seiner Kate stand, schützte ihn vor dem Schlimmsten – zumindest solange der Wind günstig stand, was er zum Glück meistens tat.
«Wir brauchen jetzt den Gaul», sagte einer der beiden Männer, die ihre Spaten fallen und sich neben ihn unter den Baum fallen ließen. «Du solltest dir mal neue Taue kaufen, ich weiß nicht, ob die alten das schwere Zeug noch aushalten.»
«Scheißarbeit», schnaufte der andere, rappelte sich wieder auf und ging um den Schuppen herum zur Pumpe, um sich die bis zu den Achseln schlammigen Arme abzuwaschen.
«Bring den Bierkrug mit», rief Bixborn ihm leise nach. Der Mann zu seinen Füßen, eine hagere Gestalt mit harten Muskeln, im Gesicht eine schiefe Nase, wischte sich die Arme mit einer Hand voll Heu ab und knurrte: «Ich dachte schon, du hast es vergessen und wir müssen Wasser trinken.»
Der andere kehrte zurück, sein nackter Oberkörper schimmerte bleich in der schwarzen Nacht, er reichte den Krug weiter und sah zum Himmel auf. «Wir müss’n uns beeilen», sagte er. «Riecht nach schwer’m Regen, ich hab keine Lust, mit Wasser von unten und von oben zu schuften.»
«Das von oben», sagte der mit der schiefen Nase grinsend, «stinkt wenigstens nicht so.»
Das Pferd, kurzbeinig und kompakt, tat seine nächtliche Arbeit willig und ohne verräterischen Lärm.
Als Erstes zogen sie den Sockel heraus. Das war einfach. Das zweite Stück machte Schwierigkeiten, dreimal rutschten die Taue ab, jedes Mal sprang Bixborn in den Morast, ließ seine Hände über den schlammigen glatten Stein gleiten, bevor er die Taue erneut befestigte. Schließlich gab das moderige Loch seinen Schatz mit sattem Schmatzen frei, und während seine beiden Kumpane den zweiten Bierkrug aus der Kate holten, kniete Bixborn in dem herabgerutschten Schlamm, seine Finger fuhren tastend über die schmutzige Gestalt, prüften Ohren und Schnauze, Pfoten und Fell, fanden auch die vermeintlich im Laufe vieler Jahrhunderte abgeschlagenen Stellen, bis er endlich einen Fetzen Sackleinen in die Wanne mit reinem Pumpenwasser tauchte und sein
Weitere Kostenlose Bücher