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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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wandte sich Rosina hastig an den Drucker, «aber ich wusste nicht, dass Wagner Muto begleiten würde. Ich wusste es wirklich nicht.»
    «Das ist einerlei», sagte Wagner streng. «Ob heute oder morgen, ich wäre sowieso gekommen. Der Mann,der Euer Faktor war, ist getötet worden, Ihr werdet etwas dazu zu sagen haben.»
    «Natürlich, nämlich dass ich ihn nicht gemocht und trotzdem nicht getötet habe. Aber ich bin mehr als froh, dass er Madame Boehlich keinen Schaden mehr zufügen kann. Ganz einfach und nicht mehr. Es ist nicht meine Art, unliebsame Kerle zu erschlagen. Wenn Worte nichts ausrichten, gehe ich ihnen aus dem Weg, und sei es bis nach London. Auch ganz einfach. Und nun ruft endlich Euren Jungen zur Ordnung, er ist doch kein Kind mehr, dass er einfach an fremder Leute Sachen geht.»
    Muto hatte Rosina am Ärmel gezupft und ungeduldig versucht, ihr etwas zu bedeuten. Da sie ihn nicht beachtete, war er zu dem Tisch der Korrektoren gelaufen, hatte eine Feder genommen, ein Tintenglas geöffnet und eifrig zu schreiben begonnen.
    Rosina beugte sich über seine Schulter und las.
    «Bist du ganz sicher?», fragte sie, und als Muto eifrig nickte: «Warum?»
    «Was sagt er?», wollte Wagner wissen.
    «Er sagt, er sei völlig sicher. Auf dem Bogen hier», sie hielt ihn fröhlich hoch, «steht, dass er Monsieur Hebbel im Hamburger Hafen auf einem Schiff gesehen hat, das nach London auslief. Und zwar schon Sonnabendmittag, also lange bevor der Faktor getötet wurde. Er kann Kloth nicht ermordet haben. Auf gar keinen Fall.»
    In nur wenigen Zeilen hatte Muto aufgeschrieben, was tatsächlich einige Stunden in Anspruch genommen hatte.
    Wie oft, wenn die Jungen freie Zeit hatten, war er mit Fritz zum Hafen hinuntergelaufen. Sie mischten sich gern in den Trubel bei den Anlegern, hörten auf die Stimmender Männer aus fremden Ländern, beobachteten das Beladen und das Löschen der Fracht, überlegten, welche Art Waren sich in den Tonnen, Kisten, Ballen oder Säcken verbargen und aus welchem Teil der Welt sie kamen. Sie liebten es auch, einfach die Schiffe anzusehen oder das Ablegen und Auslaufen der großen Segler zu erleben, das in dem längst zu engen Hafen zwischen all den anderen Schiffen, Booten und Schuten die ganze Seemannskunst erforderte.
    Manchmal gelang es ihnen sogar, einen Trägerdienst zu ergattern und das Gepäck wohlhabender Reisender in die kleinen Boote zu wuchten, die die Passagiere zu den ankernden Schiffen brachten. An jenem Sonnabend trugen sie für einen Kaufmann vom Englischen Haus dessen Reisekiste und drei große Taschen aus festem Leinen über eine Planke an Bord einer Brigg, die nahe an den Vorsetzen beim Baumwall festgemacht hatte und schon bereit zum Ablegen war. An der Reling stand ein Mann und beobachtete, wie sie sich mit ihrer Last auf dem schwankenden Brett mühten, und als Muto mit der dritten Tasche beim letzten Schritt strauchelte, griff er flink zu und zog die Tasche mitsamt dem Jungen an Deck.
    Zurück an Land, warteten Muto und Fritz, beide einen Dreiling in der Tasche, bis sich die Brigg behäbig mit dem ablaufenden Wasser aus dem Hafen und in die Elbe hinausschob. Der Mann, der Bendix Hebbel war, stand immer noch an der Reling, er winkte ihnen zu, bevor er sich abwandte und einen besseren Platz beim Bug suchte.
    «Du warst das?» Bendix Hebbel trat näher an Muto heran, und ein Lächeln guter Erinnerung wischte den Grimm aus seinem Gesicht. «Jetzt erkenne ich dich», sagteer. «Du hast mir den Dreiling gezeigt, den du für deinen Dienst bekommen hast, stimmt’s?»
    Muto nickte. Schon wieder bewegten sich seine Hände flink und beredt, und Wagner und Hebbel sahen Rosina fragend an.
    «Er ist ganz sicher», übersetzte sie zu Hebbel gewandt, «dass Ihr der Mann wart, und er ist dankbar, dass Ihr ihn nicht in Wasser plumpsen ließt, dann hätte er nämlich kaum seinen Lohn bekommen.»
    «Nun gut.» Wagners Blick glitt prüfend zwischen Muto und Hebbel hin und her. Wenn er auch wusste, dass Muto nicht dumm war, blieb ihm stets ein leiser Zweifel, ob er den Augen und dem Gedächtnis eines Jungen, der nicht sprechen konnte, wirklich trauen sollte. «Das ist geklärt.»
    «Ja», sagte Rosina, die ahnte, was Wagner dachte, «endgültig. Und jetzt will ich wissen, was Ihr mir vorhin über Kloth erzählen wolltet, Monsieur Hebbel, gerade als Wagner versuchte, die Tür einzuschlagen.»
    Bendix Hebbel zuckte mit den Achseln. «Viel ist da nicht zu sagen. Es mag auch sein, dass ich in meinem

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