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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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niemand Ignoranz gegenüber einem Mann, der so
en vogue
ist. Wobei ich gestehe, dass er mir in den Komödien besser gefällt. Da haben wir also noch etwas gemeinsam. Außer unserer Bekanntschaft mit den Cutlers und Lord und Lady Wickenham», fügte er maliziös hinzu. «Die charmante Madame Kjellerup nicht zu vergessen.»
    «O ja, natürlich. Madame Augusta. Und Eure Gattin? Ist sie auch hier, um Mr.   Garrick zu feiern?»
    «Nein.» Von Alwitz’ Stimme klang eine Nuance weniger amüsiert. «Sie fühlt sich dieser Tage unwohl. Sicher liegt es nur an der schwülen Hitze, daran ist sie noch nicht gewöhnt. Und ein solch drängendes Gewimmel, all diese Gerüche   …», er ließ einen raschen Blick über die Menge der Köpfe gleiten, «…   nun ja, der unterschiedlichsten Menschen erscheinen ihr beängstigend. Doch nun müsst Ihr mich leider entschuldigen. Wenn ich nicht bald in meine Loge zurückkehre, halten meine Freunde mich für verloren. Ihr erinnert Euch gewiss an Eschburg und den jungen Dagenskøld? Aber wenn Ihr Begleitung zu Eurem Platz braucht   …»
    «Vielen Dank, aber mein Platz ist schnell und ohne Beschwer zu erreichen», log sie fröhlich. «Ich wünsche Euch einen anregenden Abend, Graf Alwitz. Die besten Genesungswünsche an Eure Gattin.»
    Bevor er sich wieder über ihre Hand beugen konnte – oder es versäumen   –, lief sie die Treppe hinauf und kehrte zu Helena auf den zweiten Balkon zurück.
    Im Drury Lane Theatre drängte sich alles, von den Majestäten bis zur Blumenverkäuferin. «Das müssen die königlichen Plätze sein», rief Helena, nahe zu Rosinas Ohr gebeugt, «dort drüben, in einer der Proszeniumslogen. Siehst du sie? Sie ist vornehmer und reicher dekoriert als die anderen.»
    Rosina hatte die besondere Loge über der Bühnenrampe schon entdeckt. Viel mehr beindruckte sie jedoch die Harmonie des großen Theaterraumes. Die mächtigen korinthischen Säulen bei der Bühne, die zierlicheren entlang der beiden Ränge, die mit Putten, üppiger Flora und schönen, nur mangelhaft bekleideten Damen ausgemalte Decke. Die Kronleuchter darunter trugen erstklassige Kerzen, sie gaben gutes Licht, beinahe ohne zu tropfen. Auch die hinter der Rampe verborgenen Laternen waren schon entzündet und schickten ihr Leuchten den Vorhang hinauf.
    Das Theater war mehr als hundert Jahre alt. Schon lange suchte der Prinzipal, Mr.   Garrick, nach einem Gönner, der ihm helfe, die Kosten für ein neues, größeres Haus mit einer weiten Bühne und ausgefeilteren Maschinerie zu tragen. Da er ein gern gesehener Gast in den vornehmsten Häusern und bei Gelegenheit sogar im königlichen Salon im St.   James Palace war, zweifelte niemand an seinem Erfolg. Es hieß, er bemühe sich schon um einen Maler, der sich wie kein zweiter auf die Kunst des Bühnenbildes und die Geheimnisse des Lichts verstehe. Leider sei dieser Mr. de Loutherbourg kein Engländer, was man doch für dieses Theater, das gleichsam Shakespeare ein neues Podest gebaut hatte, erwarten dürfe, sondern ein noch junger, aus dem seit langem französischen Elsass gebürtiger Mann, den Mr.   Garrick bei seinergroßen Reise über den Kontinent in Paris oder Italien kennen gelernt habe.
    Die königliche Familie, so hatte Mr.   Lancing gesagt, besuche an jedem Donnerstag eines der großen Theater. Die Majestäten zahlten einen vielfachen Preis für ihre Billetts, anstatt der zwei bis höchstens sieben Shillinge ganze sechzehn Guineen, die den Theaterkassen eine gute Grundlage sicherten. Wurden sie nicht erwartet, stand die Loge anderen Gästen zur Verfügung, sie war an keinem Abend leer. Nicht nur, weil sie den besten Blick auf die Bühne bot. In diesem Land, in dem der König nicht annähernd als so unantastbar galt wie in anderen, saßen viele gern einmal auf seinem Stuhl – sei es auch nur im Theater.
    «Da ist Titus», rief Rosina und zeigte auf die linke Seite des Parketts, «dort steht er, neben der zweiten Säule.»
    «Ich sehe ihn, aber Himmel!, wo ist Karla? Haben wir sie im Getümmel verloren?»
    Beide beugten sich über die Brüstung und suchten in dem Meer der Gesichter und Körper nach Karlas dünner Gestalt.
    «Auch dort unten», rief Rosina schließlich lachend, «direkt hinter Titus. Er ist so groß und breit, er verdeckt sie wie eine Mauer. Bei Titus ist sie in diesem Getümmel allemal am sichersten, im Zweifelsfall klemmt er sie sich einfach unter den Arm. Wahrscheinlich hat er sie aber an sich festgebunden. Sollten wir zu

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