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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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einen Zusammenhang gibt. Nicht erst gestern, als ich in der Druckerei die Policen sah. Viel eher, unbedingt.»
    «Aber wie denn, Wagner? Das konnte niemand merken. Die Betrügereien waren in anderen Städten passiert, warum solltet Ihr denken, er lasse seine Policen ausgerechnet in Hamburg drucken?»
    «Weil sie nach dem Muster der Hamburger Assekuradeure gemacht waren, ziemlich genau sogar, nur in einer anderen Schrift. Dieser Kerl, den Hebbel im März in der Druckerei verschwinden sah, hat ihn getötet. Dabin ich sicher. Und auch Alma Severin, Gott weiß, warum. Nun läuft der feine Herr hier herum, macht sich mit den Münzen des Senators ein gutes Leben und geht weiter seinem üblen Tagewerk nach.»
    «Nun hört endlich auf, über vermeintliche Versäumnisse nachzudenken, Wagner, und lasst uns überlegen, wie es weitergeht. Wobei ich gleich gestehen muss, dass mir nichts einfällt, das Euch dienlich wäre!»

KAPITEL 11
    Wagner bog um die Ecke und sah sich suchend um. Das vierte Haus, hatte die Würstchenverkäuferin unter den Piazza-Arkaden gesagt, direkt gegenüber des
Brown Bear Coffee House
. Er zog sein großes rotes Tuch aus der Tasche, wischte sich die Stirn, obwohl die ganz trocken war, und hockte sich auf einen der steinernen Klötze, die die Fuhrwerke und Kutschen von den Fassaden fern halten sollten. Er war immer noch nicht sicher, ob dieser Besuch eine gute Idee war. Vielleicht wäre es viel besser, tatsächlich zu
Lloyd’s Kaffeehaus
zu gehen, so wie er es Karla und den Becker’schen erzählt hatte. Leider, aber es sei nötig, unbedingt, ja, gerade heute Abend, dort noch einmal nach dem betrügerischen Assekuradeur zu suchen. In seinem ganzen Leben hatte er nicht so viel gelogen wie in diesen Londoner Tagen.
    Zum Glück klang Rosinas Angebot, ihn zu begleiten, nur sehr halbherzig. Um nichts in der Welt hätte sie den Besuch im Drury Lane Theatre versäumen wollen, sie akzeptierte seine Beteuerung, es mache ihm gar nichts aus, alleine zu gehen, sofort. Außerdem, hatte er auch beteuert, seien Frauen dort nicht gerade erwünscht und es sei wirklich nicht wichtig genug, wieder in eine ihrer Männerverkleidungen zu schlüpfen. Wenn sie aber ein Auge auf Karla haben könnte, damit sie in dem großenTheater nicht verloren gehe, was doch leicht möglich sei, wäre er sehr dankbar.
    Und nun saß er auf diesem Stein, lauschte auf die Musik der lauten Stadt, auf die Stimmen und das Räderknarren, auf die Hufschläge und das eilige Trappeln der Füße der Sänftenträger, die unermüdlichen Rufe der Straßenverkäufer, und ließ die Zeit davonlaufen. Die Billetts von Mr.   Lancing waren ihm gerade recht gekommen. Alle waren heute Abend beschäftigt, niemand stellte zu viele Fragen nach seinen Plänen. Vielleicht wäre es gut, noch etwas zu essen, bevor er sich endgültig auf den Weg machte, das Würstchen war doch sehr klein und mager gewesen. Vielleicht   …
    Da stand er auf und ging eilig die letzten Schritte bis zum vierten Haus. Noch einmal wischte er sich über die Stirn, dann klopfte er entschlossen an die Tür. Erst nach dem zweiten Klopfen hörte er Schritte heranschlurfen und endlich wurde die Tür geöffnet.
    Er hatte einen dieser Diener erwartet, hinter deren guten Manieren sich nichts als Herablassung gegenüber dem ungebetenen Gast verbarg. Aber in der Tür stand eine grauhaarige Frau, die Schürze über dem dunkelblauen Rock mehlbestäubt, und sie hatte überhaupt keine guten Manieren. Sie blickte ihn nur vorwurfsvoll fragend an, und Wagners Nervosität schwand. Solche Blicke war er gewöhnt, sie stärkten seinen Kampfgeist.
    So gelang es ihm schließlich, zum Herrn des Hauses vorgelassen zu werden. Richter Fielding saß, die schwarze Binde über den Augen, in seiner Küche vor einem Teller nach Rindfleisch und Muskat duftenden Stews, und Wagner sah, dass er an diesem Abend nicht der einzige Besucher des Richters war.
    Seine Nervosität kehrte schlagartig zurück. Doch egal, wie dieser Besuch verlaufen würde, es war immer noch besser, als fünf Stunden in einem Theater zu verbringen.
    ***
    Der Lärm war – wieder einmal – unbeschreiblich. Mehr als tausend Menschen drängten sich im Parkett und in den Logen, auf den Rängen und der Galerie des Königlichen Theaters in der Drury Lane. Immer noch waren nicht alle Zuschauer da, viele kamen erst in der Pause nach dem dritten Aufzug, weil sie sich weniger für das lange Drama als für das lustige Nachspiel interessierten, dafür zahlten sie auch

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