Die englische Episode
mochte Bixborn nicht.
Mit einem knurrigen Seufzer schlug er den letzten Nagel in den Deckel und warf den Hammer auf das Stroh. Nur zwei Kisten noch, dann konnte er endlich schlafen. Er griff nach dem Tonkrug auf dem Tisch am Fenster und nahm einen tiefen Schluck. Das Wasser war kühl und schmeckte frisch, als hätte er es nicht schon vor Stunden aus dem Brunnen hinter seinem Haus gezogen. Besser als Bier, dachte er, und viel besser als die muffige Brühe, die die Leute in der Stadt Wasser nannten.
Er hob den Vorhang aus braunem Sackleinen an und blinzelte in die Nacht hinaus zu dem drei Stockwerke hohen rechten Flügel des Heimes. Bis auf zwei der zahlreichen Fenster waren alle dunkel, die Kinder schliefen längst. Vielleicht starb auch gerade eines, sie starben dort ja wie die Fliegen, vor allem die Kleineren, wenn sie nach ihren ersten Lebensjahren bei einer Amme auf dem Land in das große, stets zum Bersten überfüllte Haus zurückkehrten.
Er zuckte mit den Achseln und nahm noch einen Schluck. Wenigstens hatten sie dort eine Chance, sicher eine bessere als ihre Schicksalsgenossen, die in den Straßen Londons zu überleben versuchten. Sie bekamen eine kleine Uniform und zu essen, nicht gerade zu viel, aber immerhin aus den eigenen Gärten und Backstuben, gesund und frisch wie das Wasser hier. Sie lernten sogar lesen und schreiben, selbst die Mädchen. Die Jungen arbeiteten in den Gärten und Ställen, die Mädchen im Haus und in der Küche, sodass sie später genug wussten und konnten, um sich eine ehrliche Arbeit zu suchen.
Bixborn mochte das Heim trotz allem nicht. Die riesigen Gebäude, die hohen Mauern um Hof und Gärten, das bewachte Tor – er fragte sich zum hundertsten Mal, warum er die Kate nicht verkaufte und sich eine andere Bleibe weiter draußen suchte. Die Stadt mit ihren stinkenden Häuserschluchten und neugierigen Augen und Ohren kam jeden Tag näher.
Der Mond war halb voll, auf der Wiese vor dem mächtigen Gebäude lagen die Kühe wie dunkle Klumpen im Gras, ein schwarzer Schemen, eine Eule auf der Mäusejagd, zog hoch über ihnen Kreise. Es war ein schönes, melancholisches Bild. Vielleicht kaufte er sich doch eines Tages Farbpulver und Pinsel.
Er leerte den Krug, kappte die Dochte der Kerzen in den beiden Haltern und begann unwirsch, Stroh in die nächste Kiste zu stopfen. Seine Laune, die sich bei dem Blick über das friedvolle Bild gebessert hatte, wurde wieder grau. Lange hatte ihn seine Arbeit kaum ernähren können, er war immer wieder gezwungen gewesen, in den Ställen der Poststation oder bei der Ernte auszuhelfen. Seit dem vorletzten Jahr liefen seine Geschäfte endlichgut, doch er hasste es, gedrängt zu werden, und er hasste es noch mehr, belanglose Auftragsarbeiten auszuführen, selbst wenn vor gar nicht langer Zeit ein großes Werk vollbracht war und in der feucht-sandigen Erde in seinem Hof darauf wartete, an seinen Ehrenplatz zu gelangen.
***
Rosina gefiel, wie Lady Florence mit ihrer Bemerkung alle aufgeschreckt und so der Gesellschaft die Schläfrigkeit ausgetrieben hatte. Selbst für sie als Fremde war nicht zu übersehen gewesen, dass Mrs. Cutlers Tochter damit einen bestimmten Zweck verfolgte, der ihrem Gatten wie ihrer Mutter überhaupt nicht gefiel. Rosina hätte gerne herausgefunden, welcher es war. Mrs. Cutlers Tochter schien ihr die interessanteste unter den Damen, doch ihr Versuch, nach dem Dinner mit ihr in ein Gespräch zu kommen, das ohne Zweifel über die allgemeine Plauderei hinausgehen würde, scheiterte, da Lady Florence schon das Opfer des unermüdlichen Redeflusses der jüngsten Gräfin Dagenskøld geworden war.
So wartete Rosina mit wachsender Ungeduld auf Mr. Cutler. Beim Dessert waren ihr die Münzen wieder eingefallen, was nur an den Zitronenscheiben lag, mit denen das würzige Kuchenstück auf ihrem Teller garniert war. Wenn Mr. Cutler ein so eifriger Sammler war, wie Madame Augusta erzählt hatte, sammelte er womöglich auch alte Münzen. Sie musste ihm nur noch die etwas dunkleren Quellen entlocken und der lange träge Abend hatte seinen Sinn.
Doch während sich die Damen und auch einige der jüngeren Herren nach dem Dinner in den großen Salonbegaben, blieben Mr. Cutler und die meisten Herren bei Pfeife, Brandy und ernsthaften Gesprächen im Speisesaal zurück. Sie hätte gerne gelauscht, tatsächlich versäumte sie wenig: Nachdem Einigkeit darüber erzielt worden war, dass die Pickles und der Hummer besonders delikat gewesen
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