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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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waren, dass überhaupt in diesem Jahr die Hummer ihresgleichen suchten, ging es ausschließlich um die Notwendigkeit, mehr Kanäle für den Transport aus den nördlichen Kohlerevieren zu bauen. Ein Pferd vermochte eine mit fünfzig Tonnen Last tragende Schute zu treideln, das war etwa so viel, wie zehn vierspännige Fuhrwerke auf der Landstraße transportieren konnten, und so bewegte ein Pferd oder Maultier auf dem Kanal so viel Lasten wie vierhundert auf der Straße.
    An dieser Stelle schlief Mr.   Ridgebottom ein, was aber keiner der anderen Herren bemerkte. Alle waren von der enormen Kostenersparnis durch die Kanäle gefesselt, die ein Aufblühen der jungen Industrien mit ihren neuen Dampfmaschinen erst ermöglichte. Das musste auch dem letzten Zweifler jener Kanal beweisen, den der Herzog von Bridgewater zwischen Manchester und seinen Minen von Worsley hatte bauen lassen. Die Leistung seines Ingenieurs war meisterlich. Wenn der Bau der kühnen Konstruktion auch fünf Jahre gedauert hatte und durch die Tunnel und Aquädukte entsetzlich teuer geworden war, rentierte er sich schnell, denn der Transport auf dem neuen Kanal ließ den Preis der Worsley-Kohle auf nahezu die Hälfte sinken. Entsprechend erhöhte sich der Profit in den Manufakturen und Fabriken.
    Im großen Salon wurden derweil Tee und Kaffee serviert. Die Bischofswitwe und zwei andere Damen, deren Namen Rosina längst vergessen hatte, ließen sich denSpieltisch ausklappen, gewannen Graf Alwitz als Vierten für ihre Runde Whist und konzentrierten sich auf die Karten und die Karaffe mit dem Madeira. Cilly betrachtete verstohlen von Alwitz’ hübsches schmales Gesicht, den tadellosen Sitz seines nachtblauen, mit silberner Stickerei gesäumten Rockes und ignorierte auch nicht die besonders wohl geformten Beine in silbergrauen Kniehosen. Er war ein Mann um die dreißig, seine Kleidung und Haltung verrieten vorzüglichen Geschmack, und er war ohne Zweifel von einnehmendem Wesen, was sie gleich beruhigt hatte, als er mit seiner Gattin und dem kaum minder eleganten, doch geradezu erfrischend schüchternen Mr.   Eschburg eingetroffen war. Alwitz war durch und durch ein Mann von echtem Adel, dachte sie, ohne Zweifel. Das waren zwar die meisten Freunde Williams, dennoch gefielen sie ihr nicht immer.
    Die Herren Bach und Abel hatten sich zum Bedauern der Damen und in Gesellschaft einer Flasche Schaumweines in das Musikzimmer zurückgezogen, um sich für das bevorstehende Konzert zu sammeln.
    Cassandra, die jüngere der Dagenskøld-Schwestern, verriet Lady Florence die Vorzüge ihres neuen Stickrahmens, was Florence, die offensichtlich mit ihren Gedanken weit fort war, wenig zu interessieren schien. Schließlich entschuldigte sie sich, sie müsse ihre Mutter in den Pflichten der Gastgeberin entlasten und im Musikzimmer nach dem Rechten sehen, worum sie die meisten Damen beneideten. Damit floh sie und tauchte erst wieder auf, als sich später die ganze Gesellschaft zum Konzert versammelte.
    Augusta und Rosina saßen mit Tee, Sherry und Makronen versehen bei dem jungen Graf Dagenskøld, um sichdas Neueste von Dr.   Struensee berichten zu lassen, den beide kannten und schätzten. Der ungestüme junge Arzt war Stadtphysikus in Altona gewesen, bevor er zur Überraschung aller – nicht zuletzt zu seiner eigenen – zum Leibarzt des dänischen Königs berufen wurde, den viele für einen weniger an Leib als an Seele schwer kranken jungen Monarchen hielten.
    Dagenskøld hatte Struensee nie selbst getroffen, auch beim Besuch des Königs in London vor anderthalb Jahren nicht. Damals sei er in Oxford gewesen, und auf der Rückreise von seiner
Grand Tour
habe er sich zwar einige Wochen in Altona aufgehalten, bis Kopenhagen sei er jedoch, obwohl er es vorgehabt hatte, nicht mehr gereist.
    «Von Struensee», sagte er, «wird überall, wo der dänische König herrscht, viel geredet. Auch Gutes, ohne Zweifel. So hat er, nachdem im letzten Winter mehr als tausend Kinder an den Blattern starben, dafür gesorgt, dass nun alle geimpft werden, die armen unentgeltlich, die reichen gegen eine Gebühr. Vor einigen Wochen soll er sogar den Kronprinzen inoculiert haben, ein gefährliches Unterfangen, denn der Junge kränkelt ohnedies ständig. Ansonsten, das hat mein Vater vom Hof gehört, hat Struensee so sehr das Vertrauen des Königs gewonnen, dass der ihn zum Etatsrat ernannt hat und ihm immer mehr Macht überträgt. Struensee ist ein wütender Reformer, Mrs.   Kjellerup, ein sehr

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