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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Ansicht sowieso nur Belanglosigkeitenverbreiteten. Nachdem er das seiner Tischnachbarin mit der Stimme einer ungehaltenen Bulldogge kundgetan hatte, wandte er sich den Terrinen und Platten mit den Speisen zu, wobei er nach der Schildkrötensuppe und vor dem gekochten Lachs in Austernsoße den gebratenen Hasen mit dem Myrtensträußchen im Maul bevorzugte.
    Auch Mr.   Abel erwies sich als ein schweigsamer Mann. Er zeigte sich zwar erfreut, eine junge Dame an seiner Seite zu finden, die wie er in Sachsen geboren und aufgewachsen war. Nach diesem guten Anfang und der Feststellung, dass beide Leipzig und Dresden seit vielen Jahren nicht mehr besucht hatten, zeigte er sich jedoch als einer jener Menschen mit dem besonderen Talent, jedes für ein Tischgespräch passende Thema schnell ersterben zu lassen. Schweigend schob er ein wenig Broccoli, gerösteten Schinken und Oliven über seinen Teller und schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein.
    Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, Mrs.   Cutlers Einladung zu folgen. Von dieser Soiree, von der ganzen feinen Gesellschaft, hatte Rosina sich sehr viel mehr versprochen. Bisher war sie kaum anregender als Wagners langweilige Besuche bei den Münzhändlern. Sie blickte zu Augusta, die ihr gegenüber neben Mr.   Bach saß und sich eindeutig gut unterhielt. Mr.   Bach war ein äußerst eleganter, ein klein wenig fülliger, gut aussehender Mann. Er verstand auf gleiche Weise zuzuhören wie amüsant zu erzählen, und Rosina war sicher, dass sich in seiner Nähe niemand langweilte. Neben Augusta saßen Lord und Lady Wickenham, gefolgt von Williams Freunden, Graf und Gräfin Alwitz und Mr.   Eschburg, die sich alle auf das Essen konzentrierten.
    Am muntersten ging es weiter unten am Tisch zu. Dort saßen der junge Dagenskøld, seine beiden zwitschernden Schwestern und zwei andere, ebenfalls junge Herrn und wogen die Vorzüge der Vergnügungsgärten von Vauxhall und Ranelagh gegeneinander ab, wobei Vauxhall mit seinem Musikpavillon, dem künstlichen Wasserfall und den für Liebende besonders anziehenden dunklen Alleen mehr Punkte machte als die distinguierteren Ranelagh Gardens mit ihrem vornehmeren Publikum. Mr.   Gothat hatte sich sicherheitshalber weit entfernt von Dagenskøld neben der Witwe des früheren Bischofs von London niedergelassen, einer zarten Dame, die sich auch in Psalmen auskannte, aber keinesfalls in ketzerischen Ideen.
    Schließlich war der erste Gang beendet, die Diener räumten das Geschirr ab, und in den Moment der Stille, während sie frische Tischtücher auflegten, sagte Lady Florence plötzlich unter dem befreienden Einfluss des dritten Glases Burgunder für alle vernehmlich: «Es ist wirklich schade, dass die Cockpits als ein für Damen ungehöriger Ort gelten. Man enthält uns da etwas sehr Anregendes vor, William will mich einfach nicht dorthin mitnehmen. Er erzählt nicht einmal davon, obwohl er sehr gerne hingeht, am liebsten zur Scheune auf den Tothill Fields. Was sagt Ihr dazu, Gräfin Alwitz. Oder wart Ihr gar schon einmal dort?»
    Lord Williams Gesicht versteinerte, Cilly wurde blass, Augusta neigte sich mit unverhohlener Neugier vor, um Florence besser sehen zu können, Mr.   Bachs Gesicht verzog sich zu einem erstaunten Lächeln und Sir Ridgebottom brüllte: «Was hat sie gesagt?», worauf aber niemand achtete.
    Ob auch Gräfin Alwitz blass wurde, war im Schein der Kerzen nicht genau zu erkennen, zumindest weiteten sich ihre großen blauen Augen überrascht.
    «Nun», sagte sie, «ich weiß nicht, ich   …»
    «Ihr müsst meine Frau entschuldigen», fiel ihr Mann ihr ins Wort, was sie mit einem dankbaren Blick quittierte. «Sie ist mir erst vor wenigen Wochen aus Amsterdam nach London gefolgt, und als Holländerin beherrscht sie Eure Sprache noch nicht sehr gut. Wenn Ihr erlaubt, Lady Wickenham, werde ich für sie antworten: Meine Frau hat niemals ein Cockpit besucht, sie wünscht das nicht, worüber ich sehr froh bin. Ihr mögt mich für altmodisch halten, aber ich bin überzeugt, manche Orte sollten Damen nicht zugemutet werden. Ebenso bin ich überzeugt, dass die Kämpfe und die Gesellschaft dort Euch keinesfalls zusagen würden, Mylady. Wir Männer sind rohe Wesen und ergötzen uns an wütenden Tieren und Kämpfen; der weiblichen Seele ist so etwas fremd, zu unserer Rettung schwingt sie sanft und braucht die Harmonie.»
    «Sehr richtig», rief Augusta und bemühte sich um ein unschuldiges Gesicht. «Sehr richtig. Vor allem wenn

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