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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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und Tochter, die jüngere wurde von einem kindlichen Diener mit schwarzer Haut begleitet, der in seiner roten Livree und weißen Perücke wie eine Puppe aussah. Die Damen strichen ihre Röcke glatt und betraten, von dem Kind gefolgt, eifrig schwatzend den Laden.
    Wagner vergaß das Tüchlein. Wo Herrschaften in solcher Garderobe und mit solchem Geschmeide kauften, konnte er sich nicht mal das Einwickelpapier leisten. Er stand da und starrte – plötzlich wieder ganz der Jagdhund, als den ihn der Weddesenator in wohlwollenden Momenten gern bezeichnete – auf die Tür. Eine der Damen, die jüngere, hatte ihn an irgendetwas erinnert. An was konnte eine solche Dame, neben der selbst Anne Herrmanns in ihrer Abendgarderobe ärmlich erschienen wäre, ihn erinnern? An wen?
    Natürlich. Es war das Haar. Sie trug es nicht hoch aufgetürmt wie ihre Begleiterin, sondern als ein kunstvolles Gebilde von Schnecken und Zöpfchen, winzigen Blüten und Perlen glatt um den Kopf. Der einsame Sonnenstrahl, der sich in die enge Gasse verirrt hatte, hatte es rötlich schimmern lassen, nicht gerade wie feine Kupferfäden, aber eben doch rötlich. Es hatte ihn an die Beschreibung von Alma Severin erinnert. Alma? Das konntees nicht sein, das Mädchen war tot und half ihm nicht mehr weiter.
    ‹Verdammt›, dachte er und stapfte die Alley hinunter, ‹hätte sie nicht leben bleiben können? Hätte sie nicht überhaupt bei ihrer Mutter und ihren Seidenblumen bleiben können, anstatt lange Finger zu machen und mit einem Halunken durchzubrennen? Dazu noch bis   …›
    Das war es! Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, stolperte im Umdrehen über eine aufkreischende Katze und rannte zurück, wieder die Treppe hinauf und zum Schanktisch. Den ganzen Vormittag hatte er vertan, und selbst nachdem er herausgefunden hatte, welcher und wie vielfältiger Art die Dienste waren, die dieses Kaffeehaus bot, nicht einmal daran gedacht, die Passagierlisten der in den vergangenen Wochen eingelaufenen Schiffe zu prüfen.
    Wenn auch auf den meisten Schiffen nur wenige Passagiere befördert wurden, waren die Listen doch lang. Trotzdem blieb seine Suche vergeblich, weder in London noch in Dover oder Harwich waren Passagiere mit den Namen Alma Severin und Felix Landahl angekommen und an Land gegangen.

KAPITEL 9
    «Sehr schön, Karla, wirklich prima. Eigentlich schreibt man ‹Land› mit ‹d›, aber macht nichts, mit ‹t› versteht es auch jeder.»
    Manon fand es überflüssig, auf alle Fehler in Karlas kleiner Schreibübung hinzuweisen. Zwölf in zwei Zeilen – das nahm ihr nur den Mut. Sie erinnerte sich genau an ihre eigene wachsende Lustlosigkeit, wenn ihre Mutter sie unerbittlich auf jeden winzigen Fehler hinwies. Gesine war ihren Kindern eine strenge Lehrerin gewesen. Manon wollte es besser machen, auch in der Auswahl der Übungstexte. Mr.   Marlowes Ballade über die schöne Tote von der Half Moon Street entsprach kaum dem, was an den Latein- und Kirchenschulen für die Schreiblektionen verwandt wurde, doch Manon fand, dass unterhaltsame Texte der beste Weg zur hohen Kunst des Schreibens und Lesens waren.
    Außerdem, was machten ein paar Schreibfehler aus? Und wer bestimmte, was einer war? In Sachsen schrieb man vieles anders als in Hamburg oder Frankfurt – die Hauptsache war doch, dass man verstand, was da geschrieben war. Im Zweifelsfall musste man sich das Ganze nur laut vorlesen, dann verstand man alles sofort. Jedenfalls meistens.
    «Rosina?» Manon überließ ihre Schülerin ihrer Übungund glitt auf den Hocker neben Rosina, die ihnen gegenüber am Tisch saß und die wichtigsten Straßen aus Wagners London-Plan kopierte. Der Weddemeister war in irgendein Kaffeehaus verschwunden, der Weg sei einfach, hatte er versichert, er könne ihr den Plan heute gerne überlassen. Sie ließ sich nur ungern stören, der Plan war groß, es würde viel Zeit kosten, die Teile der Stadt, die sie brauchte, auch nur grob zu kopieren.
    «Glaubst du, Jean bekommt die Billetts schon für heute Abend?» Manon rutschte auf die Hockerkante und sah Rosina gespannt an.
    «Welche Billetts?»
    «Weißt du es nicht? Der Bühnenmeister vom Königlichen Theater in der Drury Lane zeigt ihm heute die Geheimnisse der Bühnenmaschinerie, Titus und Rudolf sind auch mitgegangen, und er hat versprochen, Jean welche zu geben, Billetts für uns alle. Nicht gerade in einer Loge, aber das ist mir egal. Ich möchte unbedingt in das Theater.»
    «Das wollen wir alle, Manon,

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