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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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eines Schiffes besorgt war. Jede Eintragung musste mit Namen, Stand und Anschrift wie der Herkunft der Meldung versehen werden. Wer hier betrog, womöglich um mit einer Falschmeldung Vorteile für eigene Geschäfte herauszuschlagen, wurde bald entdeckt und ausgeschlossen.
    Er ging zum Schanktisch, ließ sich einen kleinen Krug Bier geben und begann, sich in den anderen Räumen umzusehen.Anders als in Hamburger Kaffeehäusern gab es keine Billard- und Spieltische und auch kein Geschrei. Selbst jetzt, da sich die Räume gut gefüllt hatten, überall Männer ins Gespräch vertieft saßen, herumstanden oder -gingen , hörte er nur verhaltene Stimmen. War doch einmal eine lautere dazwischen, trafen den Kräher gleich strafende Blicke. Wohl wurde einige Zeit mit müßiger Lektüre und Geplauder verbracht, dennoch war
Lloyd’s
viel weniger als die meisten Kaffeehäuser ein Ort der Lustbarkeiten. Hier wurden zuallererst Informationen gesucht und ausgetauscht, Geschäfte angebahnt und abgeschlossen. Auch Auktionen wurden veranstaltet, die Ankündigungen hingen an der Wand nahe dem Schanktisch, für Gemälde ebenso wie für Parten, ganze Schiffe oder Ladungen, für Porzellan wie für Münzen und Antiken.
    Dass Wagner nicht wusste, wo er beginnen sollte, beunruhigte ihn wenig. Irgendwo fand er immer das Ende des Fadens, dem zu folgen zum Ziel führte. Wenn man nur genug Geduld aufbrachte. So wanderte er herum, hörte hier zu, gab sich dort mit Gesprächsfetzen zufrieden. Vor allem besah er sich die Männer, die ihren Geschäften nachgingen. Er beobachtete ihre Gesichter, um zu entscheiden, an wen er sich wenden könnte, und begriff schnell, dass die, die er suchte, in ernste Gespräche vertieft in den Nischen saßen. Keiner von ihnen sah aus, als lasse er sich gerne stören, nur um einem hergelaufenen Unbekannten im einfachen Rock Auskunft zu geben.
    Das war eine richtige Vermutung. Die Reaktionen auf seine Fragen nach Mr.   Landahl blieben zwar am Rande höflicher Verneinung, doch keiner der Männer ließ sich auf ein Gespräch ein, das ihm half, die Spielregeln dieserGesellschaft zu verstehen und so seine Suche zu erleichtern.
    Sein Krug war leer, die pfeifenrauchgeschwängerte Luft ließ seinen Kopf schmerzen und hatte ihn müde gemacht. Erst als der Kellner einem vorbeieilenden Mädchen zurief: «Sherry und frischen Kaffee für Lord Wickenham und für Graf Alwitz, aber schnell   …», wurde er wieder munter.
    Wickenham? Alwitz? Das waren Namen, die Rosina bei ihrem Bericht von der Soiree am St.   James Square erwähnt hatte, jedenfalls wenn er sich nicht sehr irrte. Das Mädchen verschwand flink durch die Tür hinter dem Schanktisch, und als sie mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem sie eine Karaffe, Gläser und zwei Tassen dampfenden Kaffees balancierte, folgte Wagner ihr bis in den hintersten Raum.
    Noch vor einer Stunde wäre es ihm unmöglich gewesen, zwei Fremde anzusprechen, von denen der eine ein Graf, der andere ein Lord war. Nun erschien ihm der deutsche Name als der Hinweis, auf den er gewartet hatte. Grund genug für einen letzten Versuch, vielleicht hatte er endlich Glück. Ohne so ein Quäntchen Fortune ging in seinem Metier gar nichts.
    Er tastete nach seinem blauen Tuch, das nicht mehr da war, und zum ersten Mal wünschte er sich Claes Herrmanns herbei. Herrmanns’ Unart, sich fröhlich in Wedde-Angelegenheiten einzumischen, als seien sie nur ein Zeitvertreib, und dabei ganz selbstverständlich die Führung zu übernehmen, hatte ihn oft geärgert. Nun wäre es angenehm und ohne Zweifel hilfreich, sich auf den wortgewandten und gegenüber jedem Stand selbstbewussten Kaufmann zu verlassen.
    Graf Alwitz und Lord Wickenham unterbrachen ihr Gespräch, als das Mädchen Sherry und Kaffee auf ihren Tisch stellte. Auf ihre Frage, ob die Herren noch etwas wünschten, hob einer der beiden nur kurz und abwehrend die Hand, so knickste sie flüchtig und eilte davon.
    Wagners Mut sank. Die Gesichter der beiden Männer ließen eher auf Unstimmigkeiten als auf eine heitere oder auch nur träge Plauderei schließen. Er dachte an das nötige Quäntchen Glück, straffte die Schultern und trat an den Tisch.
    Aber wer war wer? Welchen sollte er ansprechen? Und wie?
    «Verzeihung», sagte er und heftete den Blick auf die Sherrykaraffe zwischen den beiden Männern, «Graf Alwitz?»
    Der Mann in dem burgunderfarbenen Rock blickte fragend zu ihm auf und Wagner unterdrückte einen erleichterten Seufzer.
    «Ich bitte um

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