Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
fürchte, ich weiß sehr wenig davon, wie das Leben jenseits eines Hauses an den Squares aussieht.»
    «Immerhin habt Ihr es heute bis nach Covent Garden geschafft – ohne Kutsche und Zofe. Das würde Eure Mutter gewiss nicht exotisch finden. Werdet Ihr ihr davon erzählen?»
    «Seid Ihr verrückt? Mama betritt Covent Garden nur für die wenigen Schritte zwischen der Kutsche und den Foyers der Theater. So wie auch ich bis heute. Wahrscheinlich», Florence kicherte ganz undamenhaft, «würde die arme Mama ohnmächtig, wenn sie mich hier sähe. Ohne passende Begleitung. Und William», ihr Lächeln wurde nun eindeutig boshaft, «würde wunderbar wütend. Jedenfalls wenn mich jemand entdeckte, der es in die Salons trüge. Sonst wäre es ihm einerlei. Er findet es schon degoutant, dass ich gern alleine durch die langweiligen Parks wandere, anstatt mich mit meiner Zofe und mindestens zwei livrierten Dienern herumkutschieren zu lassen. Wie dumm, dass ich diesen heimlichen Ort gewählt habe, auf der Piazza wären die Chancen viel besser. Oh», Florence’ gerade noch vergnügtes Gesicht wurde blass. «Bitte», flüsterte sie hastig, «Ihr dürft mich nicht verraten. Bitte!»
    Rosinas Augen folgten ihrem erschreckten Blick, sie erkannte die mollige Gestalt auf dem Mittelweg sofort.
    «Madame Augusta!», rief sie, raffte ihre Röcke und lief auf die alte Dame im dezent geblümten Zitzkattun zu,die ihr auf dem schmalen Pfad zwischen den Gräbern entgegenkam.
    «So ein Glück!», sagte sie.» Ich fürchtete schon, Eure Wirtin habe sich einen Scherz erlaubt, als sie mir empfahl, Euch auf dem Gottesacker zu suchen. Lady Florence, wie schön, Euch hier zu treffen.»
    «Ja, Mrs.   Kjellerup, natürlich», stotterte Florence, «als Ihr erzähltet, dass   … nun ja, da dachte ich, Miss Hardenstein könnte   …»
    «Wir haben uns ganz zufällig vor einem Laden in der Strand getroffen», fiel Rosina ihr hilfreich ins Wort, «und ich fand diesen schattigen stillen Platz genau richtig für eine kleine Plauderei.»
    «Ja», beeilte sich Florence zu sagen, «nur eine kleine Plauderei.»
    «Ich dachte gleich, dass Ihr beide einander mögen würdet.» Augusta verbarg ihr Lächeln hinter einem Spitzentuch. Rosina konnte schroff sein, das hatte sie mehr als einmal erlebt; wenn es jedoch darauf ankam, war auf ihren Takt Verlass. Augusta schätzte Diskretion ungemein. Umso mehr, wenn sie sicher sein konnte, beizeiten zu erfahren, was Takt und Diskretion ihr für den Moment vorenthielten.
    Der für eine ‹kleine Plauderei› zwischen jungen Damen doch recht ungewöhnliche Ort störte sie nicht im Geringsten. Sie ließ sich auf der Bank nieder, drückte Florence ihren Sonnenschirm in die Hand und öffnete eine Spanschachtel voller Makronen und Spanischer Biskuits aus Mrs.   Pratts Vorratskammern.
    Die höflich einleitenden Floskeln, die Florence nun erwartete, blieben ungesagt. Während sie, die zum ersten Mal während der letzten Wochen einen gesunden Appetitspürte, die Makronen zu verspeisen begann, fragte Rosina: «Hattet Ihr Erfolg, Madame Augusta? Habt Ihr mit dem Richter gesprochen?»
    Augusta nickte und rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. «Ja und nein. Aber ich will Eure Plauderstunde nicht stören.»
    «Sorgt Euch nicht wegen Lady Wickenham», sagte Rosina ungeduldig. «Sie wollte wissen, was ich in London tue, und so habe ich ihr die ganze Geschichte erzählt. Mehr oder weniger. Und? Ist die Tote Alma?»
    «Ja, ohne jeden Zweifel. Leider. Es war nicht ganz einfach, zu Richter Fielding vorzudringen, es war ja schon fast Abend. Aber nach meiner dritten Versicherung, ich habe Auskünfte zu dem Mord in der Half Moon Street, hat mich sein Constabler, ein wahrer Zerberus, schließlich vorgelassen. Mr.   Fielding ist ein erstaunlicher Mann, wirklich sehr erstaunlich. Die arme Alma.» Sie griff seufzend in die Keksschachtel und nahm ein Biskuit heraus. «Ich kannte sie kaum, sie hat nur einige Male bei Madame van Witten den Kaffee serviert, doch dabei erschien sie mir als ein so vernünftiges Mädchen. Wenn ich es aber jetzt bedenke, die Demut einer zukünftigen Diakonsfrau, das hatte die Senatorin für sie geplant, lag nicht in ihren Augen.»
    «Und Landahl? Hat der Richter etwas über ihn gesagt? Hat er schon eine Spur?»
    «Nein. Er hat zwar erklärt, das dürfe er mir nicht sagen, aber ich bin sicher, dass er keine hat. Ein bisschen habe ich doch aus ihm herausgequetscht. Es ist ziemlich mysteriös. In Almas Zimmer haben

Weitere Kostenlose Bücher