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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Verzeihung, wenn ich Euch anspreche, es ist vermessen, gewiss, Ihr kennt mich nicht. Dennoch muss ich Euch fragen, möchte ich fragen   …»
    Zwei kleine Schweißtropfen rannen von Wagners Schläfen, Wickenhams Brauen hoben sich ungehalten, und von Alwitz’ Gesicht verzog sich in kühlem Amüsement. «Wenn Ihr etwas fragen müsst oder möchtet», sagte er, «fragt schnell.»
    «Schnell, gewiss. Ich will nicht stören. Auf keinen Fall. Ich dachte nur, weil Ihr aus den deutschen Ländern kommt und ich jemanden von dort suche   … Nun ja, schnell fragen, sagtet Ihr. Es ist ganz einfach: Ich suche einen Mann namens Felix Landahl, er ist in Eurem Alter und hält sich seit einigen Wochen in London auf, womöglichkennt Ihr ihn und könnt mir sagen, wo ich ihn finde. Ich wäre Euch sehr verbunden.»
    «Landahl?» Von Alwitz warf Wickenham, der träge in seinem Kaffee rührte, einen müden Blick zu, doch – immerhin – er lächelte noch. «Was wollt Ihr von ihm?»
    «Geschäfte», erklärte Wagner rasch. «Es geht nur um Geschäfte. Ihr kennt ihn also?»
    «Nein», Alwitz griff nach der Karaffe und füllte die beiden Gläser, «nein, der Name sagt mir nichts. Würde mir
Euer
Name etwas sagen?»
    Wagner blinzelte irritiert. «Mein Name?» Dann verstand er. «Verzeiht, ich habe mich nicht vorgestellt, tatsächlich, sehr unangenehm. Wagner», fuhr er fort, ganz ohne die erforderliche Verbeugung, zu der er plötzlich überhaupt keine Lust hatte. Da saß dieser Kerl und sah ihn von unten an, als stehe er haushoch über ihm. Nur weil er einen alten Siegelring und bestickte Seide trug, nur weil er – da verbeugte er sich doch. Selbst wenn es ihm nicht gefiel, ein Mann, der Graf Alwitz hieß und war, stand tatsächlich haushoch über ihm. «Adam Wagner. Doch wie ich schon sagte, Ihr kennt mich gar nicht.»
    «Und woher kennt Ihr mich?»
    «Ich kenne Euch auch nicht, mit Verlaub, es ist nur, nun ja, der Kellner nannte Euren Namen, und da ich Landahl dringend suche, dachte ich, es bedeutet nur eine geringe Störung, wenn ich Euch nach ihm frage.»
    «Ihr fragt mich, weil ich wie dieser – wie sagtet Ihr? Landahl?   –, wie dieser Mensch aus den deutschen Ländern komme? Ihr müsst verzweifelt sein. London ist voll von Männern deutscher Sprache. Wenn Ihr alle fragt, habt Ihr viel zu tun. Und nun entschuldigt mich, ich habe auch viel zu tun.»
    Damit wandte er sich wieder Lord Wickenham zu und Wagner war – sozusagen – entlassen.
    Er fühlte eine kalte Steife in seinem Nacken. Wer war er, wer war dieser Mensch in seinem lächerlichen Seidenrock, dass er ihn behandelte wie einen Diener? Er drehte sich auf dem Absatz um und hatte schon die Tür zum nächsten Raum erreicht, als er seinen Namen rufen hörte.
    «Auch wenn ich Euren verloren gegangenen Freund nicht kenne», sagte Alwitz, «würde ich doch gerne wissen, welcher Art die Geschäfte sind, die Ihr mit ihm machen wollt.»
    «Warum?»
    «Nennt es ruhig Neugierde.» Von Alwitz lächelte, wie man über ein trotziges Kind lächelt, und zuckte mit den Achseln. «Ihr könnt Euer Geheimnis natürlich auch für Euch behalten. Womöglich betreibt Ihr gar kein Geschäft, in den Kaffeehäusern trifft man Männer von mancherlei Art und», er blinzelte Wickenham zu, «und Profession.»
    «Münzen», sagte Wagner knapp und spürte, wie dumm es war, das zu sagen, «ich handele mit alten Münzen und Medaillen.»
    Wieder auf der Straße, atmete er tief die Londoner Luft, die ihm nach der Stickigkeit in den Räumen des Kaffeehauses frisch wie auf den Hamburger Stadtwällen erschien. Sein Kopf schmerzte, er fühlte bleierne Erschöpfung. Wieder ein vertaner Vormittag. Er blickte unentschlossen die Straße hinunter, sah die Fenster der Läden und beschloss, wenigstens ein neues Taschentuch zu kaufen. Sofern es in dieser seltsamen Stadt überhaupt welche aus nützlichem blauen Tuch gab. Im Schaufenster des nächsten Hauses lagen einige, wie nahezu alles in diesem Fenster üppig mit Spitze gesäumt. Karla würdeso ein feines Tüchlein gefallen, ein kleines nur, unnütz, die Nase zu putzen oder den Schweiß abzuwischen, aber hübsch, um damit herumzuwedeln oder es an das Brusttuch zu heften. Frauen besaßen gern unnütze Dinge. Und womöglich würde es
ihm
gefallen, seine Frau damit zu sehen. Während er noch überlegte, wie teuer so ein nichtsnutziges Tüchlein sein mochte, setzten schwer atmende Männer direkt vor der Tür zwei Sänften ab. Aus jeder kletterte eine Dame, vielleicht Mutter

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